SPD erwägt Drohneneinsatz im Innern

Innenpolitiker Burkhard Lischka legt Forderungskatalog zur Terrorbekämpfung vor / Parteilinke äußern sich kritisch

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 3 Min.
Nach der Union fordern nun auch Politiker des Koalitionspartners SPD schärfere Maßnahmen gegen mutmaßliche Islamisten.

In der SPD-Bundestagsfraktion gibt es Bestrebungen, schärfere Gesetze in der Innenpolitik auszuarbeiten. In einem Forderungskatalog nennt der innenpolitische Sprecher Burkhard Lischka nicht nur die bessere Ausstattung der Sicherheitsbehörden, sondern auch einen verstärkten Austausch auf EU-Ebene nach dem Vorbild des deutschen Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrums (GTAZ) sowie die Erweiterung der Überwachungsmöglichkeiten. Darüber berichtete die »Welt«. Die Pläne der Sozialdemokraten sind demnach eine Reaktion auf die Bedrohung durch Islamisten seit den Anschlägen von Paris im November.

Inzwischen dürfte die Bedrohung hierzulande noch größer geworden sein. Denn kurz nach den Attentaten, bei denen 130 Menschen getötet wurden, hatte die Große Koalition der französischen Regierung ihre Unterstützung im Krieg in Syrien gegen die Terrororganisation Islamischer Staat zugesagt und wenig später vom Bundestag absegnen lassen. »Wer Bundeswehr-Tornados nach Syrien schickt, der züchtet noch mehr Terroristen und erhöht die Anschlagsgefahr in Deutschland«, hatte Linksfraktionschefin Sahra Wagenknecht diese Entscheidung kommentiert.

Lischka will Weihnachtsmärkte, Fußballstadien und andere Großveranstaltungen strenger kontrollieren lassen. Islamisten, die nach Einschätzung der Bundesregierung besonders gefährlich sind, sollen den Veranstaltungen nicht mehr nahe kommen. Strengere Vorschriften müssten bei einer »akuten Gefährdungssituation« gelten. Dann sollen sich als gefährlich eingestufte Islamisten nur in einer begrenzten Region aufhalten dürfen. Zudem ist geplant, dass ihnen für eine bestimmte Zeit die Nutzung von Mobiltelefonen verboten wird sowie Überweisungen und Bargeldabhebungen eingeschränkt werden. Das Bundeskriminalamt geht von etwa 43 000 Personen in der islamistischen Szene in Deutschland aus. 420 von ihnen seien »Gefährder«.

Ein brisanter Aspekt des Papiers ist die Übertragung von Befugnissen der Polizeibehörden auf den Verfassungsschutz. Der Inlandsgeheimdienst soll bei der Überwachung von »Gefährdern« oder ihren Treffpunkten freie Hand haben. Ohne »langwierigen Vorlauf« müsse es für den Verfassungsschutz möglich sein, Beobachtungsdrohnen einzusetzen.

Die LINKE lehnte die Pläne ab. »Die Freiheit durch ihre Einschränkung zu schützen, kann nicht der Weg für einen demokratischen Rechtsstaat sein«, sagte Fraktionsvize Jan Korte. Er ging davon aus, dass das Bundesverfassungsgericht den Vorhaben Grenzen setzen würde. »Wer dem Verfassungsschutz polizeiliche Befugnisse geben will, dem fliegt dieser sicherheitspolitische Irrweg spätestens in Karlsruhe um die Ohren«, so Korte. Das Trennungsgebot zwischen Polizei und Nachrichtendiensten ist aufgrund der Erfahrungen der Nazizeit ein Grundsatz des bundesdeutschen Rechts.

In der SPD ist der Vorstoß umstritten. »Wir brauchen keine schärferen Gesetze, sondern ausreichend Polizei«, sagte Parteivize Ralf Stegner, der zu den Linken in der SPD zählt, in der ARD. Konservative Reflexe wolle man nicht bedienen. Generalsekretärin Yasmin Fahimi erklärte, sie persönlich glaube nicht, dass Terrorverdächtige mit Beobachtungsdrohnen überwacht werden könnten. Die SPD-Führung habe Lischkas Thesen aber noch nicht im Detail beraten. In der Bundestagsfraktion, der Stegner und Fahimi nicht angehören, herrschte an Montag Zurückhaltung. Abgeordnete waren entweder nicht erreichbar oder ließen Anfragen des »nd« unbeantwortet.

Vor dem Vorstoß von Lischka hatte schon die Union neue Gesetze gefordert. Die Konservativen wollen etwa die Strafbarkeit von Sympathiewerbung für terroristische Gruppierungen wieder einführen. Justizminister Heiko Maas (SPD) hatte dies abgelehnt und erklärt, dass es in Deutschland ein scharfes Terrorismusstrafrecht gebe, das konsequent angewendet werden müsse. Eine Kehrtwende des Ministers ist aber nicht ausgeschlossen. Maas hatte sich dieses Jahr auch von einem Gegner zum Befürworter der Vorratsdatenspeicherung gewandelt. Entscheidend hierfür war der Druck von Parteichef Sigmar Gabriel, der die »innere Sicherheit« zu einem zentralen Thema der SPD machen will. Über Anträge zur Innenpolitik wird auch der SPD-Parteitag, der von Donnerstag bis Samstag in Berlin stattfindet, diskutieren. Kommentar Seite 4

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