Ein Minister driftet in die Schneewehe

Privater Winterdienst nun in Sachsen-Anhalt?

  • Hendrik Lasch, Magdeburg
  • Lesedauer: 3 Min.
Wegen akuter Personalnot will Sachsen-Anhalts Verkehrsminister den Winterdienst teilweise privatisieren - trotz schlechter Erfahrungen im Nachbarland. Im Landtag gibt es massiven Widerstand.

Noch droht Autofahrern auf Sachsen-Anhalts Straßen mangels Schnee kaum winterliches Ungemach. Der Landesverkehrsminister ist dennoch ins Schlingern geraten; glaubt man Opposition und Rechnungshof, dann driftet Thomas Webel geradewegs in die Schneewehe. Der CDU-Mann will den Winterdienst im Land teilweise privatisieren - und das, obwohl man im Nachbarland Thüringen mit diesem Kurs unschöne Erfahrungen macht. Nachdem sich der Freistaat der Aufgabe entledigt hatte, sollen sich die Kosten verdoppelt haben.

Grund für Webels ab 2016 geplanten Vorstoß ist akute Personalnot. Sachsen-Anhalts Landesregierung aus CDU und SPD baut im öffentlichen Dienst massiv Personal ab, mit Folgen bei Polizei und Lehrern, aber eben auch im Winterdienst. Sachsen-Anhalt bräuchte dort 848 Stellen, schreibt die »Mitteldeutsche Zeitung«; besetzt seien derzeit aber nur 663. Von diesen Mitarbeitern seien wiederum nur 443 im Winterdienst einsetzbar; die Rede ist von einer »erheblichen Unterdeckung«. Bisher wurden Lücken mit Zeit- und Leiharbeitern gefüllt. Ihre Verträge können aus arbeitsrechtlichen Gründen aber nicht unbegrenzt verlängert werden.

Webel sucht sein Heil nun darin, sich der Aufgabe zu entledigen: Auf 21 Routen mit insgesamt 1300 Kilometer Länge soll ab kommendem Winter von Privaten geräumt und gestreut werden.

Die Opposition hält das für groben Unfug. »Wir raten ausdrücklich davon ab«, sagt Wulf Gallert, Fraktionschef der LINKEN. In Thüringen werde nach der Privatisierung »schlechtere Qualität zu schlechteren Preisen« geliefert. Claudia Dalbert, Fraktionschefin der Grünen, stimmt zu: »Das ist eine öffentliche Aufgabe, die in öffentliche Hand gehört.« Auch der Landesrechnungshof rügte den Vorstoß des Ministers: Dessen Kalkulation sei »dürftig«; Alternativen seien nicht durchgerechnet worden, zitiert die »Mitteldeutsche Zeitung« einen Sprecher. Erwartet wird eine Kostensteigerung von 1,1 auf 1,6 Millionen Euro im Jahr. Weil die Privaten zudem teure Spezialtechnik anschaffen müssten, hat das Ministerium für die nächsten vier Jahre je fünf Millionen Euro beantragt.

Das Ansinnen Webels geht offenbar sogar der CDU/SPD-Koalition zu weit. Diese will im Landtag mit einem Änderungsantrag auf den Vorstoß der LINKEN reagieren, die Privatisierung abzublasen. Bislang wird an dem Alternativpapier aber noch gefeilt. Die SPD betont, eine staatliche Erfüllung der Aufgabe solle »Vorrang haben«. Man wolle nicht, »dass sich das Verhältnis umkehrt«, sagt ihr Innenexperte Rüdiger Erben. Damit wäre die Vergabe im geplanten Umfang vom Tisch: Die 1300 Kilometer entsprechen 59 Prozent des Straßennetzes im Land.

Zudem wehrt sich die SPD dagegen, dass ein derart »großer Block« wie geplant für fünf Jahre vergeben wird. Bisher, sagt Erben, hätten sich oft Landwirte mit Schneeschieben über den Winter gerettet: »Die beteiligen sich aber nicht an eine europaweiten Ausschreibung.« Die CDU hält eine Vergabe für weniger als fünf Jahre derweil für »illusorisch«, sagt Fraktionschef André Schröder. Er mahnt zudem, das Instrument nicht »durch die Hintertür politisch tot zu machen«. Die Warnung geht auch an den Koalitionspartner. Schließlich, sagt Schröder, habe die SPD gedrängt, nicht länger Leiharbeiter in dem Bereich zu beschäftigen.

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