Gut beraten für den Einkauf beiderseits der Oder-Grenze
Wer eine größere Anschaffung plant oder mit seinem Erwerb unzufrieden ist, erhält beim Verbraucherinformationszentrum juristischen Rat
Martin K. war richtig sauer. Da hatte er sich in der polnischen Grenzstadt Kostrzyn preisgünstig, wie der Berliner meinte, eine nagelneue Küche gekauft. Doch schon beim Einbau passte seine Neuanschaffung nicht so richtig. Die polnischen Handwerker versprachen Nachbesserungen, doch der Firmeninhaber im Nachbarland stellte sich letztlich stur. Tenor: K. habe laut Vertrag keinen Anspruch auf Reklamation. In seiner Not wandte sich der Mann an das deutsch-polnische Verbraucherinformationszentrum in Frankfurt (Oder).
»Wir sind mit ihm zu der polnischen Firma gefahren und haben die Sache außergerichtlich geklärt«, sagt Chefberaterin Katarzyna Trietz. Der 41 Jahre alten Juristin macht in Sachen rechtlicher Ansprüche von Verbrauchern so leicht keiner etwas vor. Genau wie ihr deutscher Kollege hat die gebürtige Polin an der Frankfurter Europa-Universität Viadrina deutsches und polnisches Recht studiert. Sie kennt sich aus mit Regeln und Gesetzen beider Ländern und berät seit 2006 Kunden, die mit Einkäufen oder Dienstleistungen aus dem Nachbarland unzufrieden waren. »Damals begannen wir, über ein EU-Förderprojekt ausschließlich deutsche Kunden zu unterstützen«, erinnert sie sich.
Drei Jahre später kam über die Kooperation mit der größten Verbraucherschutzorganisation in Polen, der Federacja Konsumentow, auch die Betreuung polnischer Kunden hinzu. »Die Zusammenarbeit hat sich bewährt. Wo wir im polnischen Recht nicht weiterkommen, fragen wir unsere Kollegen - ebenfalls zweisprachige Juristen - jenseits der Grenze und umgekehrt«, resümiert Trietz. Inzwischen hat sich das Infozentrum, eine Außenstelle der Verbraucherzentrale Brandenburg, als einzige binationale und vor allem kostenlose Kundenberatung entlang der deutsch-polnischen Grenze einen Namen gemacht - auch bei Käufern aus Sachsen oder Mecklenburg-Vorpommern.
Mehr als 1200 Anfragen per Telefon, E-Mail oder im persönlichen Gespräch haben die beiden Juristen laut Trietz im vergangenen Jahr bearbeitet. 500 davon waren ganz konkrete Beratungen, die manchmal langwierige Verhandlungen nach sich zogen.
Denn erklärtes Ziel ist eine außergerichtliche Regelung. Dabei wünschte sich Trietz, die Leute würden bereits zu ihr kommen, bevor sie Produkte anschaffen oder Dienstleistungen in Anspruch nehmen. Das betrifft beispielsweise Transaktionen im Internet - ein Feld, das bei der Verbraucherberatung immer mehr an Bedeutung gewinnt. Im Netz tummeln sich auch Betrüger, die etwa sogenannte Fake-Seiten einrichten und nach dem Bluff wieder löschen, wie die Juristin beschreibt. »Vorsicht ist geboten, wenn die Angebote allzu verlockend sind und wenn Vorkasse verlangt wird«, warnt sie. Diese Fälle nähmen zu und beträfen sowohl deutsche als auch polnische Kunden. Generell sollten Käufer Barzahlungen vermeiden.
Kompliziert werde es, wenn der Verkäufer oder Handwerker Anzahlungen bei Regress beispielsweise nicht zurückzahlen könne, weil er einfach kein Geld habe. Probleme gebe es auch immer wieder bei Gesundheitsleistungen, die deutsche Kunden in Polen gern in Anspruch nehmen, etwa beim Zahnarzt. »Aufgrund geringerer Lohnkosten im Nachbarland lässt sich bei Dienstleistungen in Polen noch am meisten sparen«, sagt die Juristin. Ansonsten aber sei ihr Heimatland längst kein Schnäppchenparadies mehr. So müsse auch für die stark nachgefragten Pflegekräfte aus Polen der deutsche Mindestlohn gezahlt werden.
Bei Benzin lasse sich nach wie vor sparen, auch bei Zigaretten. Ansonsten müsse der Käufer Preise genau vergleichen, denn da gebe es in einem gemeinsamen Wirtschaftsraum in Grenznähe kaum noch Unterschiede, sagte Uta Häusler von der Industrie- und Handelskammer Ostbrandenburg (IHK). »Das ist deutschen Kunden nicht unbedingt so klar. Außerdem sind die Deutschen von Natur aus Schnäppchenjäger.«
Polnische Kunden würden vor allem Reisen preisgünstiger in Deutschland buchen. Zudem schwören sie laut Trietz auf deutsche Schokolade, Kaffee und Drogerieartikel, wie Waschmittel. In jedem Mitgliedsstaat der EU gebe es unterschiedliche gesetzliche Grundlagen - auch im Vertrags- und Handlungsrecht, sagt IHK-Referentin Häusler. »Umso wichtiger ist so ein Infozentrum wie in Frankfurt, das hilft die Rechte des Verbrauchers im jeweils anderen Land unbürokratisch durchzusetzen.« dpa
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