Bayern stoppt Energiewende
Landesgesetz gefährdet CO2-Reduktionsziele
Viele reden derzeit über das Klima. Der Freistaat Bayern handelt: Durch ein Landesgesetz, das die Errichtung von Windrädern einschränkt, ist der ohnehin zögerliche Ausbau der Windenergie zum Erliegen gekommen. »Es ist gekommen, wie wir prophezeit haben«, schimpft der frühere Grünen-Bundestagsabgeordnete und Präsident der Energy Watch Group, Hans-Josef Fell: »Der Windkraftausbau in Bayern wurde durch die 10H-Regelung jäh abgebrochen.«
Das vom Landtag im November 2014 verabschiedete 10H-Gesetz besagt im Kern, dass der Abstand zur nächsten Wohnbebauung das Zehnfache der Höhe des Windrades betragen muss - bei den ursprünglich geplanten Anlagen entspricht das zwei Kilometern. Während die Regionalplanung noch rund ein Prozent der Landesfläche als Windkraft-Vorranggebiete ausweist, reduziert sich dieser Wert durch die 10H-Beschränkung auf 0,05 Prozent. Für den Windkraftausbau lässt das Gesetz nur eine Ausnahme zu: Durch Aufstellung von Bebauungsplänen können die Gemeinden auch geringere Abstände gelten lassen. So hängt es vom Engagement der Kommunen ab, ob weitere Vorranggebiete geplant werden.
Deren Interesse scheint jedoch begrenzt. Laut dem Anlagenregister der Bundesnetzagentur seien im dritten Quartal 2015 nur noch vier Windkraftanlagen in Bayern genehmigt worden, sagt Fell. »Seehofer, Aigner und die CSU-Landtagsfraktion haben ihr Ziel erreicht: Der Ausbau der Windkraft in Bayern ist mausetot.«
Fell und sein Parteifreund Patrick Friedl haben schon vor einem Jahr vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof gegen das Gesetz Klage erhoben. Noch aber gibt es keinen Termin für eine Entscheidung, obwohl seit Frühsommer 2015 alle schriftlichen Stellungnahmen der Verfahrensbeteiligten vorliegen.
Die nur im Freistaat geltende Regelung beschränke den weiteren Ausbau der Windenergie im Freistaat mit seinen verstreuten Weilern und Häusern auf ganz wenige Ausnahmen, kritisiert auch der Landesvorsitzende des Bundesverbands Windenergie, Raimund Kamm. Bis Mitte 2015 würden noch einige Anlagen gemäß Altgenehmigungen ans Netz gehen - »und dann nichts mehr«. Mit Blick auf die laufende Klimakonferenz in Paris hebt er die Bedeutung der erneuerbaren Energien hervor: »Der durch unsere Treibhausgase verursachte viel zu schnelle Klimawandel wird weltweit Lebensräume vernichten, wo heute noch hunderte Millionen Menschen leben.«
Dass auch Bayern nicht vom Klimawandel verschont bleibt, unterstreicht ein zu Wochenbeginn vorgestellter Klimareport. Demnach wird die Zahl der heißen Tage mit mehr als 30 Grad bis 2050 auf 14 im Jahr steigen. Zwischen 1971 und 2000 waren es im Schnitt nur fünf. Bis zum Jahr 2100 könnte es durchschnittlich sogar 30 heiße Tage im Jahr geben. »Es droht in Bayern ein Temperaturanstieg um bis zu 4,5 Grad Celsius«, sagt Ulrike Scharf. Die CSU-Umweltministerin, die am Dienstag zur Weltklimakonferenz nach Paris reiste, möchte den CO2-Ausstoß pro Kopf in Bayern bis 2050 auf zwei Tonnen reduzieren. Derzeit seien es sechs Tonnen. Wie soll das gehen, wenn gleichzeitig der Ausbau der Windkraft erstickt wird?
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