Pinguine sterben still und einsam

Luc Jacquet zu seinem Porträt des Klima-Aktivisten Claude Lorius

  • Katharina Dockhorn
  • Lesedauer: 4 Min.
Zur Weltklimakonferenz in Paris wird Luc Jacquet mit einer Fotoaktion auf das Sterben der Pinguine aufmerksam machen. Der französische Regisseur des Dokumentarfilms »Die Reise der Pinguine« liebt die Antarktis, in die er für »Zwischen Himmel und Eis«, dem Abschlussfilm der Filmfestspiele von Cannes, erneut führt. Er porträtiert den Wissenschaftler Claude Lorius, der bewies, dass das Ewige Eis das Klimagedächtnis der Erde ist.

Sie waren gerade zwei Monate in der Antarktis. Was zog Sie erneut dorthin?
Mich fasziniert die Landschaft des Ewigen Eises, die Stille und das Gefühl von Freiheit. Die Antarktis gehört zu den wenigen Gegenden des Planeten, in denen Neues entdeckt werden kann. Das feuert meine Neugier und meine Abenteurerlust an. Im Angesicht der eisigen Riesen fühle ich mich zudem ganz klein und auf mich zurück geworfen. Die klimatischen Bedingungen sind so extrem, dass Teamgeist gefordert ist, um zu überleben. So entstehen Freundschaften, die ich nicht missen will.

Zu diesem Kreis gehört Claude Lorius?
Wir trafen uns erstmals vor vier Jahren auf einer Klimakonferenz. Wir merkten schnell, dass wir auf einer Wellenlänge liegen. Er ist ein Visionär, der den Einfluss des Menschen auf das Klima schon vor Jahrzehnten nachwies. Aber seine Warnungen wurden ignoriert. Ich baue auf seinen Erkenntnissen auf und dokumentiere die Auswirkungen der Klimaveränderungen.

Für den Film haben Sie überwiegend mit Archivaufnahmen gearbeitet, in denen die Expeditionen von Lorius und seine wissenschaftliche Arbeit dokumentiert sind. Nach welchen Gesichtspunkten haben Sie ausgewählt?
Ich wollte Claudes Lebenswerk würdigen. Die ersten Bilder entdeckte ich in seinem persönlichen Archiv. Ihre Intensität haute mich um. Als Claude 1956 in die Antarktis aufbrach, suchte er ein Abenteuer. Ich konnte seinen Mut, aber auch die Entschlossenheit und die Strapazen der Männer im Film spüren. Als Wissenschaftler ahnte er bereits, dass das Eis ein Geheimnis barg. Er brauchte dann lange, um die Zusammenhänge zu entdecken und seine Theorie vom Gedächtnis des Eises zu beweisen. In den Archiven ist dieser Prozess gut dokumentiert. Die Aufnahmen sind ein wahrer Schatz.

Mussten Sie Claude Lorius überreden, mit Ihnen nochmals in die Antarktis zu fahren?
Unser gemeinsamer Aufenthalt in der Antarktis ist der emotionale Höhepunkt des Films. Bei unserer Rückkehr nach Südamerika war Lorius sehr traurig. Er wusste, dass dies sein letzter Trip in die Antarktis war. Dieser besondere Moment in seinem Leben ließ auch mich nicht kalt.

Hat Sie überrascht, dass sich Spuren der beiden Atombombenabwürfe und der Atomtests im Ewigen Eis finden lassen?
Es hat mich erschreckt. In der Antarktis hat man das Gefühl, dass der Rest der Welt sehr fern ist. Doch mit dem Fund der Reste der Atombomben-Ära ist klar, dass der Mensch nirgendwo vor Strahlung oder Umweltverschmutzung sicher ist. Alles hängt miteinander zusammen.

Wie verkraften die Pinguine die Klimaveränderung?
Ihnen macht der Regen zu schaffen. An ihrem Gefieder prallt das Wasser nicht ab, sie werden regelrecht durchnässt. Wenn die Temperaturen wieder unter den Gefrierpunkt rutschen, erfrieren sie. Besonders betroffen sind die Jungen. Unter ihnen stellen wir eine Sterblichkeitsrate von über 90% fest.

Was erwarten Sie von der Klimakonferenz in Paris?
Einschneidende Entscheidungen. Die Zeit läuft davon, wir haben keine weitere Zeit für Spielchen. Ich hoffe, dass das dies alle Staaten begriffen haben. Wenn die Menschen die globale Erwärmung nicht stoppen, das heißt das Erwärmungsziel von 2 Grad schnell und verbindlich festschreiben, ist die Entwicklung irreversibel.

Ist das Ziel der Begrenzung auf 2 Grad noch realistisch?
Wen wir diese Diskussion anfangen, haben wir schon verloren. Uns bleibt nichts anderes übrig als anzufangen. Wir dürfen uns nicht länger von den Skeptikern, den Bremsern und den Schwierigkeiten aufhalten lassen. Wir brauchen kleine Schritte, denen ambitionierte folgen müssen.

Was tun Sie persönlich, damit das Ziel erreicht wird?
Ich versuche mein Bestes. Wenn es geht, nehme ich den Zug. Die gesellschaftlichen Umstände zwingen uns aber manchmal, gegen unsere Überzeugungen zu handeln. Auch ich besitze ein kleines Auto. Sonst wäre ich auf dem Land aufgeschmissen. Es ist schwer, das Rad zurückzudrehen und nach der Euphorie über die Flexibilität des Autos wieder praktikable Verkehrslösungen aufzubauen.

Und sie machen weiter Filme?
Von meinem Aufenthalt in der Antarktis habe ich Material für mein nächstes Projekt mitgebracht. Anschließend will ich das Sterben der prachtvollen Korallenriffe dokumentieren. Ich will zeigen, dass die Warnungen vor den Folgen der Klimakatastrophe auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen und das Sterben der Umwelt eingesetzt hat. Meine Filme sind hoffentlich ein kleiner Beitrag, damit die Menschen Druck auf die verantwortlichen Politiker ausüben.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.