Minischritt auf dem Weg aus dem Mittelalter
Erstmals in der Geschichte des Königreichs Saudi-Arabien dürfen sich Frauen an einer Wahl beteiligen
Es sei ein schwieriger Wahlkampf gewesen, sagt die Kandidatin am Telefon. »Es gibt genaue Vorschriften. Direkt darf ich meine Reden nur vor Frauen halten; wenn Männer anwesend sind, muss die Rede von einem Mittelsmann gehalten werden, der zudem mit mir verwandt sein muss.« Obwohl sie damit eine Person des öffentlichen Lebens ist, möchte sie, wie viele andere, ihren Namen im Ausland lieber nicht veröffentlicht sehen.
Die Beurteilungen der Kommunalwahl in Saudi-Arabien an diesem Samstag gehen weit auseinander: Es ist das erste Mal in der Geschichte des Königreichs, dass Frauen wählen und gewählt werden dürfen, wobei Kommunalwahlen in Saudi-Arabien überhaupt die einzige Wahlmöglichkeit darstellen. Konservative, also jene, die an den extrem restriktiven Vorschriften des Königreichs festhalten, kritisieren das Wahlrecht für Frauen als »moralisches Übel«. Die erwähnte Kandidatin berichtet, dass die Religionspolizei, die über die Einhaltung der Vorschriften wacht, jeden ihrer Schritte kontrolliert habe. Auch andere Kandidatinnen berichten von Repressionen. Mindestens zwölf Kandidatinnen wurden für mehrere Tage inhaftiert, weil sie angeblich die Vorschriften verletzt hätten.
Insgesamt 900 Frauen haben sich als Kandidatinnen aufstellen lassen; 131 000 Frauen ließen sich als Wählerinnen registrieren. Das ist sehr wenig, gemessen daran, dass das Land 29 Millionen Einwohner hat. Es ist viel, gemessen an den Hürden, auf die Frauen auf dem Weg zur kleinen neuen Freiheit trafen. Noch vor Wochen hatten sich erst wenige Frauen für die Wahl angemeldet. Denn wer das Haus verlassen will, darf das nur in Begleitung eines männlichen Verwandten; ein Auto zu steuern ist Frauen verboten. Erst als die Regierung auch die Registrierung per Post gestattete, stieg die Zahl der Anmeldungen.
Das Königshaus stellt das Frauenwahlrecht als Signal für die eigene Reformbereitschaft dar, notgedrungen. Es gibt eine Abwanderung von gut ausgebildeten Akademikerinnen ins Ausland und die wird in Riad mit Sorge betrachtet. Vor einigen Jahren hatte man Führungspositionen in Konzernen und an Universitäten für Frauen geöffnet, in der Hoffnung, dass dadurch die Wirtschaft zukunftsfähiger werden würde. Massiv wurde im Ausland um die Rückkehr von Auswanderinnen geworben - weitgehend vergeblich.
Für viele der Kandidatinnen geht es deshalb bei der Wahl nicht allein um einen Sitz in einem Kommunalparlament, dessen Entscheidungen sowieso jederzeit von der Regierung überstimmt werden können. »Es ist vor allem ein Kampf um mehr Rechte«, erklärt die Kandidatin. »Es ist schlimm, es sagen zu müssen: Noch vor drei Jahren durften Frauen nicht einmal als Verkäuferin arbeiten. Verglichen mit dem, was unsere Großmütter hatten, haben wir heute sehr viel mehr.«
Doch der Weg ist steinig: Das Frauenwahlrecht war vom im Januar gestorbenen König Abdullah eingeführt worden. Aber Salman als sein Nachfolger gilt als extrem konservativ.
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