Bürgergutachten - ja oder nein?

Thüringer Grüne wollen vor Gebietsreform Regionalkonferenzen - CDU will Volksentscheid

  • Lesedauer: 3 Min.
Soll der künftig Zuschnitt der Thüringer Landkreise von der Politik und einzelnen Experten vorgenommen werden? Oder die Thüringer dazu befragt werden? Darüber ist eine Debatte entbrannt.

Erfurt. In der Diskussion über den künftigen Zuschnitt der Landkreise bringen die Grünen im Thüringer Landtag ein Bürgergutachten ins Gespräch. Nach Vorstellung von Fraktionschef Dirk Adams soll es vier Regionalkonferenzen geben, bei denen repräsentativ ausgewählte Thüringer über die Verwaltungs- und Gebietsreform debattieren. »Bürgergutachten sind ein gangbarer Weg für eine frühe Beteiligung«, erklärte Adams. Damit soll nach seinen Angaben auch verhindert werden, dass Gerichte eine Gebietsreform im Nachgang kippen. Die ersten Konferenzen könnte es schon Mitte 2016 geben.

Bürgergutachten sind Verfahren, bei denen ein Planungsteam unter Einbeziehung von Einwohnern, Vertretern wichtiger gesellschaftlicher Gruppen, Vereinen, Entscheidungsträgern sowie Fachexperten gemeinsam nach den besten Lösungen sucht. Mit 50 Personen je Konferenz könne die Bevölkerung gut abgebildet werden, erklärte Adams. Am Ende des Verfahrens könne eine Empfehlung an den Landtag in Erfurt stehen. Der Grünen-Politiker verspricht sich davon eine höhere Akzeptanz für eine Gebietsreform in der Bevölkerung.

Vorbild ist ein Bürgergutachten in Rheinland-Pfalz im Vorfeld einer Kommunal- und Verwaltungsreform. Laut Adams stehen die Koalitionspartner in Thüringen dem Vorschlag offen gegenüber. Zuletzt hatte SPD-Chef Andreas Bausewein Bürgerentscheide bei der Festlegung der künftigen Kreissitze vorgeschlagen. Es sei den Landtagsabgeordneten nur schwer abzuverlangen, bei dieser Entscheidung möglicherweise gegen ihre Heimatstadt zu stimmen, argumentierte der Oberbürgermeister von Erfurt. Der CDU-Landtagsabgeordnete und Vorsitzende der Jungen Union Thüringen, Stefan Gruhner, wies den Vorschlag der Grünen als »Alibi-Veranstaltung und Scheinbeteiligung« zurück und forderte stattdessen einen Volksentscheid. »Offenbar ist die Angst vor der Meinung der Thüringer so groß, dass jetzt schon auf Etikettenschwindel bei der Bürgerbeteiligung zurückgegriffen wird.« Mit Blick auf die knappe Mehrheit der rot-rot-grünen Koalition im Landtag erklärte der CDU-Politiker, die von der Landesregierung angestrebte grundlegende Umgestaltung Thüringens wäre nicht ausreichend legitimiert. - Der Gemeinde- und Städtebund Thüringen sieht sowohl das Bürgergutachten als auch den Volksentscheid kritisch. Seit Monaten werde bereits mit den Menschen im Land geredet, erinnerte Präsident Michael Brychcy. Dennoch müsse konstatiert werden, dass viele Thüringer andere Prioritäten hätten, als eine Diskussion über den künftigen Zuschnitt der Kommunen und Kreise zu führen. »Und was passiert, wenn am Ende eines Volksentscheids feststeht, dass die Thüringer eine Gebietsreform ablehnen?«, fragte Brychcy.

Die Notwendigkeit einer solchen Reform werde nicht bezweifelt, betonte der Städtebundpräsident. Die Frage sei aber, ob sie sich an der Zahl der Einwohner orientieren sollte oder an anderen Kriterien, etwa an der Frage, wer welche Aufgaben übernehmen könnte. Fusionen müssten ein System haben: »Es kann nicht sein, dass sich A und B zusammenschließen und C in die Röhre guckt.« dpa/nd

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