Braune Allianz vereint im Hass
Rassistische Anwohner und Neonazis arbeiten in Teilen Berlins wiederholt eng zusammen
An diesem Wochenende feierte die Flüchtlingsinitiative »Hellersdorf hilft« in ihrem Treffpunkt »Laloka« im Kastanienboulevard ihre jährliche Winterfeier. Es gab selbst gebackene Plätzchen, von Kindern gebastelte Sterne. Damit das Fest in Ruhe gefeiert werden konnte, mussten vor der Tür verstärkte Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden. »Wir haben keine entspannte Situation im Bezirk. Es sind zwar weniger Leute, die im Moment gegen Flüchtlinge auf die Straße gehen. Diese haben sich aber dafür radikalisiert«, sagt Stephan Jung, der Pressesprecher von »Hellersdorf hilft«. Auf der Winterfeier kam es glücklicherweise zu keinen besonderen Vorkommnissen. Selbstverständlich ist das aber nicht: Das Berliner Register hat in Marzahn-Hellersdorf im Jahr 2015 bisher 213 Vorfälle mit extrem rechten Hintergrund registriert, darunter 22 rassistische Angriffe und zwei versuchte Brandanschläge.
Anfang Dezember wurden im Bezirk vier Turnhallen für die Unterbringung von Flüchtlingen beschlagnahmt. Die NPD sowie die neue »Nein zum Heim Marzahn-Hellersdorf«-Seite rief teilweise mehrmals wöchentlich zu Protesten vor den Unterkünften auf. Am 4. Dezember versuchten nach Angaben des Registers rund zehn Neonazis, in die neue Unterkunft am Baltenring einzudringen. Die Gruppe habe sich Zugang verschafft und freiwillige Helfer bedroht und fotografiert, so die Schilderung der Betroffenen.
Die rassistische Mobilisierung hat jedoch ihre Grenzen, kaum wird noch eine dreistellige Anzahl von Protestierenden erreicht. »Die Aufmärsche sind derzeit nicht annähernd so groß und erfolgreich wie Ende 2014, als sich in Marzahn bis zu 1000 Personen an den eindeutig neonazistischen Aufmärschen beteiligten«, sagt Frank Metzger vom Antifaschistischen Pressearchiv und Bildungszentrum (Apabiz). Von Entwarnung könne jedoch keine Rede sein: »Vor allem in den Randbezirken schließen sich rassistische Anwohner nach wie vor den Neonazis an. Zudem zeigen die angestiegenen Zahlen rassistisch motivierter Gewalttaten und Brandanschläge, dass den Bedrohungen vielfach Taten folgen«, sagt Svenna Berger, die ebenfalls beim Apabiz arbeitet. »Nur weil die Anwohner nicht mehr in Massen zu den Versammlungen gehen, heißt das nicht, das es ihre Vorbehalte nicht mehr gibt«, bestätigt auch Stephan Jung die Stimmung in den Kiezen.
Auch im Bezirk Treptow-Köpenick wird eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen rassistischen Anwohnern und Neonazis wahrgenommen. In den vergangenen Wochen riefen hier ebenfalls die NPD sowie die »Nein zum Heim in Köpenick«-Seite zu Kundgebungen vor der Containerunterkunft für Geflüchtete in der Alfred-Randt-Straße sowie vor der neu eröffneten Notunterkunft in der Glienicker Straße auf.
»Der gemeinsame Protest geht soweit, dass Neonazis bei den Anwohnern auf Toilette gehen können und aus manchen Häusern Tee und Kaffee bekommen«, sagt Samuel Signer, Leiter des Registers in Treptow-Köpenick. Das antifaschistische Bündnis »Uffmucken« aus Schöneweide geht zudem davon aus, dass der NPD-Vorsitzende von Marzahn-Hellersdorf, Andreas Käfer, für die »Nein zum Heim«-Homepage verantwortlich ist. Für 2015 wurden dem Register 273 extrem rechte Vorfälle im Bezirk gemeldet, darunter sechs Angriffe.
Die Strategie der Neonazis, gemeinsam mit Anwohnern gegen Geflüchtete zu protestieren, ist nicht neu. 2013 rief die Jugendorganisation der NPD dazu auf, »Berührungsängste« fallen zu lassen und auf Anwohner zuzugehen, ohne sich dabei zu erkennen zu geben. Auch die extrem rechte Partei »Dritter Weg« rief 2014 in einem Leitfaden Anhänger auf, die Inbetriebnahme von Asylunterkünften zu verhindern und sich an Protesten zu beteiligen. »Vor allem die AfD wird es in Berlin jedoch sein, die von der rassistischen Stimmung bei den kommenden Wahlen profitieren wird«, befürchtet Metzger.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.