Neues Zuhause für den Tüftler Zuse
Im sächsischen Hoyerswerda entsteht ein Museum für den Computererfinder
Die Dunkelheit weckt Spiegelbilder. In den großen Fenstern des elfgeschossigen Plattenbaus im sächsischen Hoyerswerda machen sich silberne Heizungsröhren und kühle Betonträger breit. Im Inneren strahlen die Wände in Blau, Grün und dezentem Grau. Leute laufen geschäftig hin und her. Mittendrin stehen Jürgen Kabus und Andrea Prittmann. Sie halten die Pläne für die neue Ausstellung über Konrad Zuse (1910-1995) und sein Werk in den Händen. Im Januar 2017 soll hier auf 1400 Quadratmetern das Zuse-Computer-Museum - kurz ZCOM - über den Erfinder eröffnet werden.
Nachdem die Ladengeschäfte in den vergangenen Monaten umgebaut wurden, haben nun die Ausstellungsmacher das Sagen. Kabus ist Kurator der Ausstellung. Er hat sich in den vergangenen Jahren intensiv mit Zuse beschäftigt. Der Diplom-Ingenieur Zuse konstruierte 1941 mit dem sogenannten Z3 den ersten funktionstüchtigen Computer der Welt. Die Ideen, so Kabus, holte Zuse sich schon zwischen 1923 bis 1928 in Hoyerswerda. Hier legt er 1928 sein Abitur ab, trifft auf junge Lehrer, die seine Begeisterung für Technik unterstützen. In dieser Zeit erlebt die Stadt durch die Eisenbahn, Aluminium- und Glasindustrie sowie den modernen Braunkohlebergbau einen rasanten industriellen Aufschwung.
Mit dem Stabilbaukasten baut der junge Zuse Industrieanlagen, Brücken und Fahrzeuge nach. »In seiner Autobiografie schreibt er, dass die großen Abraumförderbrücken des Braunkohletagebaus ihm die erste Vorstellung von einem automatisierten, technischen Zeitalter gaben«, sagt Kabus.
Konrad Zuse verstarb am 18. Dezember 1995 im Alter von 85 Jahren. Kurz vorher erhielt der Technikpionier noch die Ehrenbürgerschaft seiner Heimatstadt. Die Auszeichnung verlieh ihm Horst-Dieter Brähmig. Heute ist der langjährige Oberbürgermeister Hoyerswerdas Vereinsvorsitzender des Konrad-Zuse-Forums. Der 77-Jährige begegnet Anfang der 1990er Jahre erstmals dem Computerpionier. »Zu DDR-Zeiten redeten nur ein paar alte Hoyerswerdaer über Zuse. Er lebte ja schließlich im Westen.« So könne man sagen, dass die Stadt ihn nach der Wende wiederentdeckt hat, sagt Brähmig.
Zuse kehrte gern in die alte Heimat zurück. Bei seinem ersten offiziellen Besuch 1991 zeigte die Seniorenakademie eine Ausstellung über Zuse und seine Forschungen. »Das ist die Geburtsstunde unseres Projekts heute«, sagt Brähmig. Denn schon bald platzte der alte Anlaufpunkt aus allen Nähten. Neben den sechs programmgesteuerten und frei programmierbaren Zuse-Rechenmaschinen kamen Computer vom VEB Robotron, Lochkartenmaschinen und andere Raritäten dazu. 5000 Exponate zählte die Sammlung bald. Sie zeigt die revolutionäre Entwicklung der Informationstechnologie im 20. Jahrhundert und gilt unter Fachleuten als einzigartig.
Die Computerfreunde holten sich die Wohnungsbaugesellschaft mit ins Boot, um einen neuen geeigneten Ausstellungsort zu finden. Längst reichte der Platz für die Sammlung nicht mehr aus. Dann lag die Idee vom Elfgeschosser auf dem Tisch. »Zuse hätte ein Museum in einem Neubau aus den 70er Jahren gefallen. Denn ohne Computer hätten wir ihn nicht konstruieren können. Dieses Haus ist Sinnbild für serielles Bauen im Dienste eines industrialisierten Umfelds«, sagt Ausstellungsgestalterin Anne Rom.
Sie und ihre Kollegen werden in den kommenden Monaten das Sagen auf der Baustelle haben. »Zuerst kommen jetzt die großen Maschinen in die neue Ausstellung. Manche wiegen ja fast eine Tonne«, erklärt Andrea Prittmann. Die Museologin koordiniert das Projekt, das sich zu großen Teilen aus privaten Spenden finanziert. Seit September 2014 wird das ZCOM in Form einer Stiftung geführt, welche auch den Sammlungsbestand betreut.
In der neuen Ausstellung reicht der Fokus vom Erfinder Zuse über die Entwicklung des Computers in den vergangenen acht Jahrzehnten und dessen Weiterentwicklung bis zu neusten Anwendungen und Risiken der Technik. Den Ausstellungsmachern schwebt ein Kommunikationszentrum als generationsübergreifender Lern- und Erlebnisort vor. Rund 30 000 Besucher pro Jahr sollen so nach Hoyerswerda gelockt werden.
Zu Beginn der Schau werden unterschiedlichste technische Geräte mit einem Computer im Bauch die Interessierten empfangen. Die Besucher sollen zudem viel Gelegenheit zum Mitmachen haben, die großen Fenster sollen interaktiv die Schnittstelle zur Stadt bilden. Und im Raum »OFF« bleiben die Computer aus. Dort sollen die bereits von Zuse so geliebten Stabilbaukästen stehen. Und zum Nachmachen anregen. »Wenn sich Kinder hier genauso wohl fühlen wie Senioren, haben wir alles richtig gemacht«, sagt Kabus. dpa/nd
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