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Staat weg, Job weg - Herz krank

Forscher untersuchten Auswirkungen der Belastungen aus der Wendezeit auf die Bürger Sachsen-Anhalts und Vorpommerns

  • Ulrike Henning
  • Lesedauer: 3 Min.
Durch die Belastungen aus der Wendezeit verstärkten sich auch die gesundheitlichen Risikofaktoren. Dieser Zusammenhang wurde nun in einer Studie genauer beleuchtet.

Soziale Unsicherheit und ökonomische Belastungen, etwa durch Arbeitslosigkeit, können psychische Beschwerden mit sich bringen. Mit dem Verschwinden der DDR war das massenhaft der Fall. So weit, so klar. Ist diese Krankheitslast noch heute sichtbar, vielleicht auch durch folgende körperliche Leiden? Mitunter scheint es so, wenn östliche Bundesländer bei den epidemiologischen Daten mit Extremen hervorstechen. Ein Beispiel dafür ist Sachsen-Anhalt. Hier liegt der Anteil an Rauchern, Diabetikern, Bluthochdruck-Patienten und Übergewichtigen über dem Bundesdurchschnitt. Bundesweit an der Spitze steht es - neben Brandenburg - bei der Herzinfarktsterblichkeit. Auf die Frage nach den Ursachen halten sich die Experten in der Regel zurück: Das müsse noch untersucht werden.

Jetzt ist das für eine bestimmte Konstellation tatsächlich geschehen: Für den Zusammenhang zwischen psychischen Belastungen 1989/90 mit Risikofaktoren für Herzkreislauferkrankungen und in der Folge mit Ereignissen wie Schlaganfall oder Herzinfarkt. Stefanie Bohley, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Martin-Luther-Universität Halle, wertete für ihre Doktorarbeit zwei bevölkerungsbezogene Studien aus Halle (CARLA, seit 2002) und der Region Vorpommern (SHIP, seit 1997) aus. Sie konnte aus den vorhandenen Daten die von 4000 Menschen einbeziehen.

Die Teilnehmer wurden gefragt, ob und wie stark sich ihre persönliche, berufliche und finanzielle Situation im Zusammenhang mit der Wende verbessert oder verschlechtert habe. Aus diesen psychosozialen Faktoren bildete Bohley einen »Wende-Belastungs-Index«. Danach fühlte sich ein Drittel der Befragten durch die Ereignisse beeinträchtigt, vor allem durch berufliche Veränderungen. Je stärker diese Belastungen wahrgenommen wurden, um so häufiger trat eine ganze Reihe von Risikofaktoren auf: Rauchen, Bluthochdruck, Diabetes mellitus, hohe Cholesterinwerte, depressive Störungen. Aus der Reihe heraus fällt der Alkoholkonsum - hier blieb der Verbrauch unverändert.

Hinzu kamen die tatsächlichen Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Insgesamt trat der Zusammenhang bei Frauen deutlicher zutage als bei Männern - und nicht nur das. Keine frühere Studie zu ähnlichen Problemstellungen konnte einen so starken Zusammenhang zwischen der beruflichen Situation von Frauen und deren kardiovaskulären Erkrankungen finden. Eine mögliche Ursache könnte der stärkere Anstieg der Arbeitslosigkeit bei den Frauen sein, vermutet Bohley. In ihrer Arbeit bezieht sich die Soziologin auch auf die umfassende sozialpolitische Rolle der Betriebe in der DDR - bei der Kinderbetreuung, der Versorgung mit Urlaubsplätzen oder in Sport und Kultur. All dies brach plötzlich weg. Entsprechend mussten soziale Beziehungen neu aufgebaut werden. Unschärfen in der Untersuchung ergeben sich laut Bohley etwa daraus, dass gesundheitliche Risikofaktoren vor 1989 nicht mehr erfassbar sind oder durch Abwanderung jüngerer und gesünderer Menschen ab 1990.

Hinweise zum Umgang mit den auffälligen Befunden soll etwa das Regionale Herzinfarktregister Sachsen-Anhalt (RHESA) bringen, das von Stefanie Bohley koordiniert wird. Ein ähnliches Projekt existiert in der Bundesrepublik bisher nur in Augsburg. Erfasst werden in RHESA sämtliche Infarkte in Halle und der ländlichen Altmarkregion. Eine erste mögliche Reaktion geht hin zur schnelleren Alarmierung der Rettungsdienste.

Es bleiben weiter wichtige Fragen offen: Warum erkranken unter gleichen Bedingungen die einen, während andere gesund bleiben? Die genannten Kohortenstudien werden fortgeführt, somit liegen Daten über weitere Zeiträume vor. Stefanie Bohley plant bereits Folgeuntersuchungen und möchte dafür Mittel bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft beantragen.

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