Wo der Troja-Entdecker einst Latein paukte

Vor 125 starb der Mecklenburger Heinrich Schliemann - in seiner Heimat gedenkt man seiner, so auch Kalkhorst

  • Grit Büttner, Kalkhorst
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Troja-Endecker Heinrich Schliemann, der 1890 in Neapel starb, wurde in Mecklenburg geboren, verbrachte dort seine Kindheit. Einen Gartenpavillon machte er zu seinem Studierstübchen.

Kaum zehn Quadratmeter misst der achteckige Pavillon im Pfarrgarten von Kalkhorst im Hinterland der Ostseeküste. Stützbalken verhindern, dass das versteckt liegende, notdürftig abgedichtete Fachwerkgebäude zusammenstürzt. Troja-Entdecker Heinrich Schliemann (1822-1890) verbrachte hier zwei Jahre seiner Kindheit bei einem Onkel, dem Pfarrer von Kalkhorst. In den Gartenpavillon habe sich der junge Schliemann wohl zum Latein-Lernen zurückgezogen, sagt Pastorin Claudia Steinbrück. Nun solle das Häuschen 125 Jahre nach dem Tod des Archäologen restauriert und als Gedenkstätte wiederbelebt werden.

Der am 6. Januar 1822 im mecklenburgischen Neubukow geborene Heinrich Schliemann erinnerte sich später gut an seine Schulzeit beim Onkel Friedrich Schliemann: »Als ich im Jahre 1832 zu Kalkhorst, einem Dorfe in Mecklenburg-Schwerin, im Alter von zehn Jahren, meinem Vater als Weihnachtsgabe einen in schlechtem Latein geschriebenen Aufsatz über die Hauptbegebenheiten des trojanischen Krieges und die Abenteuer des Odysseus und Agamemnon überreichte, ahnte ich nicht, daß ich sechsunddreißig Jahre später dem Publikum eine Schrift über denselben Gegenstand vorlegen würde.« So beginnt Schliemanns Vorrede von »Ithaka« (1868), wie Prof. Justus Cobet in einer Biografie schreibt.

In Kalkhorst bei Klütz (Nordwestmecklenburg) erinnert seit 15 Jahren bereits ein Gedenkstein nahe der Kirche an Schliemann. Mit dem rund 200 Jahre alten, denkmalgeschützten Pavillon soll in ein, zwei Jahren ein Touristenmagnet im Dorf geschaffen sein, hofft Bürgermeister Dietrich Neick. Pastorin Steinbrück möchte Schautafeln anbringen und das lütte Bauwerk für Veranstaltungen und Feste nutzen. Architektin Konstanze Guhr sagt, sie stelle sich eine Sitzgruppe vor, die Wanderer zum Rasten aufsuchen könnten. »Der Schliemann-Pavillon soll eine kleine Perle im Klützer Winkel werden.«

Guhr recherchierte in Kirchenarchiven über Schliemanns Zeit in Kalkhorst. Der Vater, Pastor in Ankershagen, schickte Heinrich nach dem Tod der Mutter Anfang 1832 zum Onkel, damit er sich dort aufs Gymnasium vorbereiten sollte. In Kalkhorst las der junge Schliemann exzessiv klassische Literatur, wie die Architektin herausfand. Dafür habe sich wohl der Pavillon angeboten. »Eine Oase, wie geschaffen, um sich in der Lektüre fallen zu lassen.«

Bis Dezember 1832 schrieb Schliemann in Kalkhorst den besagten Latein-Aufsatz mit dem Thema »Trojanischer Krieg« - und schenkte diesen zu Weihnachten dem Vater. Letztlich konnte er die Oberschule dennoch nicht absolvieren, das Geld der Familie reichte nur für Realschule und Kaufmannslehre - und doch lernte der spätere Weltreisende 20 Sprachen. Zwischen 1871 und 1879 fanden Schliemanns Grabungen in Troja statt, 1873 entdeckte er den Schatz des Priamos. Der Archäologe starb am 26. Dezember 1890 in Neapel.

In Kalkhorst hat Hobby-Historiker Dirk Jacoby (64) nun eine Initiative zur Rettung des Schliemann-Pavillons im Pfarrgarten gegründet. Früher hätten hier Konfirmanden gefeiert, doch seit Jahren verfalle das kleine Fachwerkgebäude. Für den Erhalt wolle er 14 000 Euro Spenden einwerben, sagt Jacoby. Insgesamt seien Baukosten von 75 000 Euro veranschlagt, das Gros werde aus dem EU-Leader-Programm finanziert. Der Leiter des Schliemann-Museums Ankershagen, Reinhard Witte, meinte, er werde die Kontakte nach Kalkhorst nun aktivieren.

Pastorin Steinbrück ist optimistisch, den Pavillon mit wechselnden Ausstellungen als wohl kleinstes Museum Mecklenburg-Vorpommerns wiederzubeleben. Im Sommer könne im Garten ein Café eröffnet werden, auch als Rückzugsort für Ruhesuchende sei Schliemanns Lernstübchen durchaus geeignet, meint sie. »Auf keinen Fall richten wir ein archäologisches Disneyland in Kalkhorst ein«, betont der Bürgermeister. »Wir wollen doch mal die Kirche im Dorf lassen.« dpa/nd

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