500 Lehrer und 314 Polizisten
Finanzminister Christian Görke über die großen Batzen im Nachtragshaushalt
Erst im Sommer wurde der Doppelhaushalt 2015/2016 verabschiedet. Jetzt bereiten Sie für 2016 einen Nachtragshaushalt vor. Warum ist dies notwendig?
In den letzten Jahren hat es keine Nachtragshaushalte gegeben. Doch weil die Herausforderungen seit Verabschiedung des Doppelhaushalts größer geworden sind, müssen wir in verschiedenen Bereichen nachsteuern. Während andere Weihnachtspäckchen packen, packe ich den Nachtragshaushalt. Ich habe ein Paket geschnürt, das allen Brandenburgern zugute kommen wird.
In welchen Bereichen müssen Sie nachsteuern?
Es geht um drei Komplexe: Es bleibt bei der Vorfahrt für Bildung und Wissenschaft, zweitens Stärkung des Rechtsstaats und drittens Integration der Neubürger voranbringen. Mit diesem Nachtragshaushalt haben wir die große Chance, Verbesserungen vorzuziehen. So wollen wir beispielsweise die gute Schüler-Lehrer-Relation in Brandenburg trotz erhöhter Schülerzahlen auf einem sehr guten Niveau halten. Deshalb werden wir im Jahr 2016 zusätzlich zu unseren bisherigen Planungen 500 weitere Lehrerstellen finanzieren. Ursprünglich war schon geplant, im kommenden Jahr 261 Lehrer mehr als in diesem Jahr einzustellen. Die 500 Pädagogen kommen jetzt noch oben drauf.
Stärkung des Rechtsstaats, was heißt das konkret für den Nachtragshaushalt?
Wir reagieren auf neue Herausforderungen für die Justiz im Land Brandenburg. Deshalb hat die rot-rote Koalition verabredet, im richterlichen und im nicht-richterlichen Bereich 32 Stellen zusätzlich zu finanzieren - vor allem in der Verwaltungsgerichtsbarkeit, aber auch in der ordentlichen Gerichtsbarkeit. Das hat auch mit der zunehmenden Zahl von Asylverfahren zu tun, aber nicht nur damit. Uns geht es bei der Aufstockung darum, dass die Urteile weiterhin zeitnah getroffen werden und dass den Richtern die Zeit für fundierte Entscheidungen bleibt.
Eine der massivsten Veränderungen am Haushaltsansatz wird im Bereich der inneren Sicherheit vorgenommen, wo es gegenüber den Festlegungen im Koalitionsvertrag einen Stellenzuwachs von 314 Polizisten geben wird. Zwischen SPD und LINKE war vereinbart, dass es Ende des Jahrzehnts 7800 Polizisten geben sollte. Wenn der Landtag unserem Vorschlag folgt, wird der seit Jahren laufende Stellenabbau bei der Polizei jedoch bei der derzeitigen Zahl von 8114 Polizisten gestoppt. Das hat nicht in erster Linie damit zu tun, dass gegenwärtig viele Menschen nach Brandenburg kommen, sondern es ist der besonderen Lage Brandenburgs an der Grenze zu Polen geschuldet und der Tatsache, dass im Herzen Brandenburgs die Bundeshauptstadt Berlin liegt. Die hohe Zahl der Wohnungseinbrüche im Berliner Umland hat gezeigt, dass es nicht geraten ist, den Stellenabbau bei der Polizei fortzusetzen. Die 314 Stellen sind ein vernünftiger Kompromiss zwischen weitergehenden Wünschen und dem, was finanziell machbar ist.
Inwieweit ist der Nachtragshaushalt wegen der unvorhergesehen hohen Zahl von syrischen und afghanischen Bürgerkriegsflüchtlingen und anderen Asylbewerbern notwendig?
Wir wollen mit dem Nachtragshaushalt eine ganze Reihe von Maßnahmen finanziell absichern. Wir müssen unter anderem die Betreuung von schätzungsweise 1200 minderjährigen Flüchtlingen bezahlen, die ohne ihre Eltern oder andere erwachsene Angehörige nach Deutschland gelangt sind. Wir werden den Fonds aufstocken, mit dem Sozialministerin Diana Golze Willkommensinitiativen unterstützt. Einen Zuschuss sollen auch die Volkshochschulen erhalten, damit sie mehr Kurse »Deutsch als Fremdsprache« anbieten können. Ebenso möchten wir die Handwerkskammern dabei unterstützen, sich um die berufliche Integration von Flüchtlingen zu kümmern. Nur teilweise mit den Flüchtlingen hat es zu tun, dass wir die Fördermittel für den sozialen Wohnungsbau von 40 Millionen auf 100 Millionen Euro erhöhen. Hier geht es vor allem darum, der Wohnungsnot in vielen Städten und Gemeinden im Berliner Umland zu begegnen. Von diesen Fördermitteln werden alle Brandenburger etwas haben, die Alteingesessenen mindestens genauso wie diejenigen, die jetzt erst zu uns gekommen sind.
Der größte Batzen für die Integration im Nachtragshaushalt sind die Mittel, die wir den Landkreisen und kreisfreien Städten für die Unterbringung und Betreuung der Flüchtlinge überweisen werden. Hierfür kalkulieren wir mit 411 Millionen Euro. Ursprünglich waren 175 Millionen Euro veranschlagt. Zu dem Aufwuchs kommt es, weil mehr Menschen eintreffen als erwartet, aber auch, weil wir die Standards für die Unterbringung und Betreuung der Flüchtlinge erhöhen.
Auch auf Investitionen in die zentrale Erstaufnahmestelle des Landes in Eisenhüttenstadt und in die Außenstellen in Doberlug-Kirchhain und Wünsdorf müssen wir uns einstellen. Ich möchte nicht, dass Flüchtlinge in Zelten kampieren müssen oder Turnhallen blockieren, sondern dass sie ein anständiges Dach über den Kopf bekommen, dass sie menschenwürdig untergebracht werden.
Wie groß sind, alles zusammengerechnet, die Ausgabe des Landes Brandenburg im Jahr 2016?
Der Doppelhaushalt 2015/2016 hatte allein für das Jahr 2016 ein Volumen von etwa 10,6 Milliarden Euro. Durch den Nachtragshaushalt kommen mehr als 500 Millionen Euro hinzu.
Wie wollen Sie diese 500 Millionen Euro aufbringen?
Sie werden nicht zu Lasten der politischen Prioritäten der Landesregierung gehen, also nicht zu Lasten von Bildung und Forschung, Arbeit und Soziales sowie Investitionen. Einen Teil können wir durch zusätzliche Steuereinnahmen decken, die uns prognostiziert werden. Der Bund zahlt uns rund 117 Millionen Euro für Flüchtlinge. Das ist natürlich nicht kostendeckend. 117 Millionen Euro sind nur etwa 20 Prozent der Summe, die tatsächlich aufgewendet werden muss. Ich hätte es für eine faire Regelung gehalten, wenn der Bund wenigstens die Hälfte der Kosten übernimmt. Weil der Bund sich einen schlanken Fuß macht, bin ich gezwungen, auch in die Sparbüchse des Landes zu greifen und Geld aus der Rücklage zu nehmen.
Ist das Land Brandenburg dann blank?
Keineswegs, es bleiben knapp 600 Millionen Euro in der Rücklage. Sollte es in den kommenden Jahren einen Überschuss geben, fließt dieser in die Rücklage, bis eine Milliarde Euro in der Sparbüchse des Landes sind. Bleibt danach Geld übrig, tilgen wir damit Schulden, vorher aber nicht. Wichtig ist, dass wir jetzt mit dem Nachtragshaushalt und auch später keine neuen Schulden machen, um enkelgerecht zu haushalten.
Ist es nicht dennoch ärgerlich, dass wegen der aktuellen Situation eine Reduzierung der Schulden nicht möglich ist?
Wir haben die Verpflichtung, Asyl zu gewähren. Aber davon abgesehen empfehle ich, die Flüchtlinge nicht nur als Kostenfaktor zu sehen. Das Geld, das wir mit dem Nachtragshaushalt für die Unterbringung und Betreuung der Flüchtlinge in die Hand nehmen, ist ein Investitionsprogramm. Aufträge wurden und werden ausgeschrieben, vor allem einheimische Firmen kommen dabei zum Zug. Wir können das jetzt schon beobachten. Nach den letzten Schätzungen steigen die Einnahmen aus Gewerbe- und Umsatzsteuern. Insofern sorgt die Aufnahme Zehntausender Flüchtlinge für einen Konjunkturschub und für Beschäftigung in Brandenburg. Dadurch erhält das Land am Ende auch zusätzliche Einnahmen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.