Rechter Sound in Kreuzberg

Laut Antifa-Recherchen gab es im Szenebezirk mehrere Auftritte von Neonazi-Bands

  • Sebastian Bähr
  • Lesedauer: 3 Min.
Regelmäßig Neonazikonzerte in einem Kreuzberger Club? Was für viele undenkbar schien, scheint durch Ergebnisse einer Antifa-Recherche bestätigt. Die Betreiber schweigen.

Der Club »Chesters« in der Glogauer Straße in Kreuzberg wirkt im mit unzähligen Veranstaltungsorten verwöhnten Berlin nicht besonders auffällig. Ohne die Leuchtreklame in der Hofeinfahrt würde man den im Hinterhof gelegenen Saal nahe des Görlitzer Parks fast übersehen. Auf der Internetseite des Clubs findet sich ein Plakat, das mit dem Gesicht von Bob Marley für ein Reggae-Konzert wirbt - aber auch andere Musikrichtungen werden bedient. Ob Wave, Minimal, Elektro, Rock oder Techno - jeder soll im Programm des mietbaren Clubs etwas für sich finden und auf seine Kosten kommen.

Dies beinhaltet offenbar auch im Allgemeinen eher unbeliebte Gäste. Nach Recherchen des Antifaschistischen Pressearchivs und Bildungszentrums (Apabiz) sollen in diesem Jahr mindestens drei Konzerte mit extrem rechten Hintergrund in dem Lokal stattgefunden haben. Regelmäßige Neonazikonzerte im nach wie vor als linkem Szenebezirk mystifizierten Kreuzberg - eine schaurige Vorstellung.

Laut den Recherchen des Apabiz soll am 12. Dezember der Musiker Sacha Korn mit seiner gleichnamigen Band im »Chesters« aufgetreten sein. Korn war 2011 neben anderen Musikern auf einer CD vertreten, welche die NPD auf Schulhöfen verteilte. Ob ein Konzert mit der Hooligan-Band »Kategorie C«, Werbung für Neonazi-Kleidermarken oder Interviews mit einschlägig bekannten Publikationen - Korn ist in der rechten Szene kein Unbekannter.

Korns Auftritt war jedoch kein Einzelfall. Mitte November soll eine »Neofolk«-Party in dem Kreuzberger Club stattgefunden haben. »Ein antiemanzipatorisches und zu Teilen offen rechtes Publikum dürfte da voll auf seine Kosten gekommen sein«, befürchtet Frank Metzger vom Apabiz. Im März habe zudem auch die österreichische Band »Allerseelen« hier ein Konzert gespielt. Forscher werfen der Band textliche und ästhetische Bezüge zur verbrecherischen Waffen-SS sowie die Verbreitung von extrem rechten Gedankengut vor. Der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz hat die Band ebenfalls in einer Broschüre erwähnt.

Die Lokalität der Konzerte konnte nur im Nachhinein aufgrund von Fotos identifiziert werden, berichtet Metzger. Sowohl der Auftritt Korns als auch von Allerseelen wurden klandestin organisiert und nicht auf der Club-Webseite angekündigt. »Es scheint sich in Kreuzberg ein Club zu etablieren, in dem rechte Partygäste angelockt werden und eine Möglichkeit für neonazistische Konzerte geboten wird«, sagt Metzger. »Damit wird eine Gefährdung unzähliger Menschen im Kiez in Kauf genommen. Dazu müssen sich die Betreibenden des Clubs nun verhalten«, sagt er weiter. Die Betreiber waren telefonisch und schriftlich für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

Der Berliner Senat hat nach Angaben einer Sprecherin derzeit Kenntnis von vier extrem rechten Musikveranstaltungen, die in diesem Jahr in Berlin stattgefunden haben. Die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus hat neun Musikveranstaltung registriert. Die Dunkelziffer dürfte weit höher liegen.

- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -