Ganz legales Terroristentraining
Rechtsextremisten halten sich in Übung - mit Revolvern, Schrotflinten und Messern
Gehen wir mal von dem ganz unwahrscheinlichen Fall aus, dass Sie einen strammen Neonazi in der Familie haben und ihm dennoch etwas zum Fest schenken wollen. Worüber würde er oder sie sich freuen? Sicher über einen Gutschein für ein Schießtraining. Egal ob Pistole, Langwaffe oder Scharfschützengewehr - alles im Angebot. Man kann auch in der Gruppe, beispielsweise als (Anti-)Terror-Team nach US-Vorbild der polizeilichen SWAT-Einheiten, Fortbildung erhalten. Möglichkeiten dazu gibt es in Deutschland wie im angrenzenden Ausland. Die Schweiz, Tschechien, die Niederlande sind als beliebte Übungsfelder bekannt. Und Untergrundliteratur zum Thema, wie werde ich ein Wehrwolf oder ein Terrorist à la NSU, gibt es mehr als genug.
Im Verfassungsschutzbericht 2014 vermeldet das Bundesamt auf «Schießübungen deutscher Rechtsextremisten im Ausland». Seit Jahrzehnten ist das ein Problem. Die Linksfraktion im Bundestag wollte nun aktuelle Einzelheiten wissen und stieß auf «evidente Geheimhaltungsbedürftigkeit». Ausländische Nachrichtendienste seien involviert und selbst Informationen, die man in der Geheimschutzstelle des Bundestages hinterlegen würde, könnten laufende Maßnahmen gefährden. «Im Einzelfall wäre auch eine konkrete Gefahr für Leib und Leben von Quellen durch gewaltbereite Rechtsextremisten, die Zugang zu Schusswaffen haben, zu befürchten.»
Tatsache ist, für zahlreiche Neonazis ist, was das Schießtraining betrifft, immer «Weihnachten. Doch die Bundesregierung gibt nur vage Einblicke. Ihr lägen für den Zeitraum 1. Januar 2010 bis 7. Dezember 2015 »in 39 Fallkomplexen, die im Einzelfall auch mehrere aufeinanderfolgende Schießübungen desselben Personenkreises umfassen können, Erkenntnisse über Schießübungen deutscher Rechtsextremisten vor«. Davon hätten 15 Übungen in Deutschland, verteilt auf sechs Länder, stattgefunden.
Einen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt die Regierung nicht. Sie betont, »dass ein Meldedienst, im Rahmen dessen das Bundeskriminalamt (BKA) verpflichtend über Schießübungen zu informieren wäre, nicht besteht«.
Die meisten der bekannt gewordenen Schusswaffentrainings von Rechtsextremisten wurden »auf legalem Wege an kommerziell betriebenen, öffentlich zugänglichen Schießanlagen in Deutschland und im umliegenden europäischen Ausland durchgeführt«. Bekannt geworden seien Übungen »von Gruppen als auch von einzelnen Rechtsextremisten, sowohl in Kooperation mit ausländischen Rechtsextremisten als auch in eigener Regie deutscher Teilnehmer«.
Die Neonazis üben mit Pistolen, Revolvern, Schrotflinten und Gewehren. Die werden ihnen von den Betreibern der Schießanlagen zur Verfügung gestellt oder sie benutzen ihre eigenen Waffen. Bei der Frage, wie viele Neonazis legal im Besitz von Schusswaffen sind, wird auf eine Auskunft vom Jahresanfang verweisen. Im Januar musste die Regierung bekennen, dass sie keinen tagesaktuellen Überblick über den Waffenbesitz von Rechtsextremen hat. Auch die Einführung des Nationalen Waffenregisters habe da »keine Abhilfe geschaffen«. Offenbar bis heute nicht. 2013 hatte eine Abfrage des Bundesamtes für Verfassungsschutz bei den Ländern ergeben, dass rund 400 Rechtsextremisten über eine waffenrechtliche Erlaubnis verfügen.
Was das sonstige Waffentraining, also beispielsweise den Einsatz von Hieb-, und Stichwaffen, Reizgasen sowie Wehrsportübungen betreffe, »lässt sich feststellen, dass insbesondere das Training von Kampfsport beziehungsweise waffenlosem Nahkampf für einen Teil der gewaltbereiten und trendorientierten rechtsextremistischen Klientel zum Selbstverständnis gehört und den Protagonisten angesichts absehbarer körperlicher Auseinandersetzungen mit dem politischen Gegner auch zweckmäßig erscheint«.
»Die Aussagen und die vorliegenden Zahlen sind besorgniserregend«, meint die Innenexpertin der Linksfraktion, Martina Renner. Sie zeigten, dass Neonazis »nicht nur Brandsätze werfen und Häuser anzünden, sondern dass sie auch schwer bewaffnet sind und gezielt den Einsatz von Waffen trainieren«.
»Genauso Besorgnis erregend ist aber auch, dass die Bundesregierung Parlament und Öffentlichkeit über das Ausmaß der Gefahren durch bewaffnete Neonazis nicht informiert und erneut den Schutz der Geheimdienste und seiner Quellen vor den Schutz der potenziellen Opfer neonazistischer Gewalt stellt.«
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