Linke: Awacs-Kurs der Regierung inakzeptabel

Bartsch verlangt präzise Informationen über neuen Bundeswehr-Einsatz / Wagenknecht: Hilfe für Türkei »nicht zu verantworten« / Grünenpolitiker Lindner: Bundestag muss abstimmen

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Berlin. Die Opposition ist nicht amüsiert: Die Bundesregierung will die Bundeswehr in den nächsten Auslandseinsatz schicken und frühstückt das Parlament mit einem dürren Schreiben ab. Linksfraktionschef Dietmar Bartsch hat die Politik der Großen Koalition gegenüber dem Bundestag als inakzeptabel kritisiert. Er verlangte in den Zeitungen der Funke-Mediengruppe präzise Informationen über Auftrag und Anzahl der deutschen Soldaten und Flugzeuge. Die Bundesregierung hatte kurz vor Weihnachten mitgeteilt, dass die NATO zur Luftverteidigung der Türkei Awacs-Luftaufklärer aus dem nordrhein-westfälischen Geilenkirchen ins türkische Konya verlegt.

Kritik kommt auch von Ko-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht. Sie sagte, eine Entsendung der AWACS-Flugzeuge in die Türkei sei »nicht zu verantworten und muss umgehend gestoppt werden«. Wagenknecht verwies auf die »fortgesetzten Provokationen des türkischen Staatspräsidenten Erdogan an der syrisch-türkischen Grenze bis hin zum Abschuss eines russischen Militärflugzeuges«. Dies mache einen Einsatz »hochgefährlich«. Der Bundestag müsse »über diesen erneuten abenteuerlichen Bundeswehreinsatz abstimmen lassen«. Wagenknecht forderte zudem, Deutschland müsse aus der NAZO austreten - nur so könne offenbar »unsere außenpolitische Handlungsfreiheit« zurückgewonnen werden.

Die Einsatzpläne für Bundeswehrsoldaten in der Türkei wegen des Syrien-Konflikts stoßen auch bei den Grünen auf Ablehnung. Der Verteidigungspolitiker Tobias Lindner sagte der »Bild am Sonntag«: »Die Bundesregierung muss das Parlament unverzüglich über die Details der Stationierung informieren, insbesondere welchen genauen Auftrag die Flugzeuge haben und wozu die gewonnenen Daten der Luftraumüberwachung dienen«. Gegenüber den »Ruhr Nachrichten« sagte Lindner, »auch wenn die Truppe nur mittelbar an einem Kampfeinsatz beteiligt wird, wäre das mandatspflichtig.«

Der Vorsitzende des Bundestags-Verteidigungsausschusses, Wolfgang Hellmich (SPD), ließ zunächst offen, ob auch er einen Bundestagsbeschluss für nötig hält. »Das schauen wir uns in aller Ruhe an«, sagte Hellmich den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Bisher habe der Ausschuss die Sache noch gar nicht diskutieren und prüfen können, die Abgeordneten seien erst unmittelbar vor der Weihnachtspause unterrichtet worden. Er finde den Zeitpunkt der Verlegung »etwas eigenartig«, fügte Hellmich hinzu.

In diesen Tagen endet der deutsche »Patriot«-Einsatz in der Türkei. Die Bundeswehr war seit Anfang 2013 mit »Patriot«-Flugabwehrsystemen nahe der Grenze zu Syrien im Einsatz, um den NATO-Partner vor Beschuss aus dem benachbarten Bürgerkriegsland Syrien zu schützen.

Wagenknecht kritisierte zudem die von der Bundeswehr bereits unterstützten Luftangriffe in Syrien. »Natürlich ist es kein geringeres Verbrechen, unschuldige Zivilisten in Syrien mit Bomben zu ermorden, als in Pariser Restaurants und Konzerthäusern um sich zu schießen«, sagte sie der Deutschen Presse-Agentur in einem Interview. »Das eine ist individueller, das andere staatlich verantworteter Terror.«

»Die Spirale der Gewalt schaukelt sich immer weiter hoch«, sagte sie weiter. Die Fraktionschefin der Linken im Bundestag gibt die Hauptschuld aber dem Westen. »Ohne den Irak-Krieg gäbe es den IS nicht. Ohne die Bombardierung Libyens und die Destabilisierung Syriens wäre er längst nicht so stark. Der Westen, vor allem die USA, haben dieses Monster mit ihren Kriegen großgemacht.«

Bei den Pariser Anschlägen der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) auf einen Konzertsaal, mehrere Cafés und Restaurants sowie vor dem Fußballstadion Stade de France waren am 13. November 130 Menschen getötet worden. Als Reaktion darauf begann Frankreich Luftangriffe auf den IS in Syrien und bat die EU-Verbündeten um Unterstützung. Die Bundeswehr beteiligt sich mit einem Tankflugzeug und einer Fregatte zum Schutz eines französischen Flugzeugträgers. Im Januar sollen deutsche »Tornado«-Aufklärungsflugzeuge hinzukommen.

Nach Angaben der oppositionsnahen Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte starben seit Beginn der US-geführten internationalen Luftangriffe auf syrische IS-Stellungen im September 2015 mindestens 299 Zivilisten, unter ihnen 81 Kinder. Neben amerikanischen, französischen und britischen Kampfjets beteiligen sich auch Jagdbomber arabischer Länder. Parallel dazu fliegt die russische Luftwaffe Angriffe, bei denen nach Erkenntnissen der Beobachtungsstelle 710 Menschen getötet wurden. Agenturen/nd

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