Angriff auf das Geo-Blocking

Die EU-Kommission will die digitale Verwertung von Filmen und Sportübertragungen reformieren

  • Katharina Dockhorn
  • Lesedauer: 3 Min.

Andreas Dresen hatte zur letzten Berlinale gut lachen. Nach der Weltpremiere von »Als wir träumten« applaudierten Frankreichs Kulturministerin Fleur Pellerin und ihre deutsche Kollegin Monika Grütters. Der Kinostart in beiden Ländern stand bevor. Die Rechte waren schon vor dem ersten Drehtag ins Nachbarland verkauft worden.

Bei der Finanzierung von Filmen sind solche Presales wichtige Bausteine. Nach dem Hype auf der Berlinale wurde auch Sebastian Schippers »Victoria« in viele europäische Länder und die USA verkauft, was dem Regisseur den Dreh seines nächsten Films erleichtert.

Diese Einzelverkäufe will die EU-Kommission für den digitalen Vertrieb verbieten. Sie streitet um das Geo-Blocking. Dahinter verbirgt sich, dass der Bildschirm schwarz bleibt, wenn Zuschauer im Ausland von deutschen Websites Sportübertragungen oder Filme abrufen wollen. Die Anbieter sperren die Inhalte, wenn sie die Lizenzen nur für Deutschland erworben haben.

Das Fallen der Schranken würde den Nutzer freuen. Für den europäischen Film sind die EU-Pläne ein Albtraum. Und es trifft auch den Sport. Welcher Anbieter leistet sich schon europaweite Rechte an estnischen Filmen oder der lettischen Fußballliga?

Zum Angriff auf das Geo-Blocking blies Jean-Claude Juncker bei seinem Amtsantritt 2014. Der Präsident der EU-Kommission träumt vom digitalen Binnenmarkt, von dem er sich einen Wachstumsschub verspricht. Dem für die digitale Wirtschaft zuständigen Kommissar Günther Oettinger legte er deshalb in die Wiege, »Nutzer zum Zentrum seiner Aktivitäten zu machen«. Zuschauer sollen grenzüberschreitend Zugang zu Diensten, Musik, Filmen und Sportevents haben.

»Ich hasse Geo-Blocking aus tiefstem Herzen«, pflichtete Andrus Ansip, EU-Kommissions-Vizepräsident, bei. Die Kommission wolle die Filmindustrie des Kontinents nicht zerstören, aber ihr Geschäftsmodell bei der digitalen Verbreitung müsse sich grundlegend ändern, legte er auf dem Filmfestival in Tallinn nach. Das gegenwärtige System sei unfair gegenüber Kunden, die zum Diebstahl gezwungen würden, und den Kreativen, denen Einnahmen entgingen. Wie die Alternative aussehen kann, dazu blieb der Este vage. Die Entwicklung des Businessmodells will er den Video-on-Demand- (VoD) und Streamingdienst-Anbietern überlassen.

Ein Mann aus einem Land ohne nennenswerte Filmindustrie legt Hand an ein bewährtes System. Die negativen Wirkungen ihrer Pläne wurden ihm und Oettinger in den vergangenen Monaten mehrfach beschrieben. Die Produzenten verlieren mit den Auslandsverkäufen eine wichtige Finanzierungsquelle. Sie fürchten fallende Lizenzpreise.

Aber vor allem trifft es die nationalen VoD-Anbieter, die ihr Geschäft gerade aufgebaut haben. Diese Unternehmen kennen ihre Märkte genau. Sie wissen, was in ihrem Land beim Zuschauer ankommen könnte. Danach kalkulieren sie. Eine europaweite Expansion können sich viele nicht leisten. Die Folge wird sein, dass nur noch einige wenige Player am Markt bleiben werden, die vorrangig potenziell kommerziell erfolgreiche Filme programmieren. Die Vielfalt des europäischen Films wird für das Publikum unsichtbar.

Oettinger plant nun einen Einstieg aus dem Ausstieg vom Geo-Blocking mit einer »Portabilitätsverordnung«. Reisende können auf Kurztrips innerhalb der EU die von ihnen im Heimatland erworbenen Lizenzen von Streamingdiensten nutzen. Die Neuregelung soll aber nicht für Bürger gelten, die dauerhaft in einem anderen EU-Land leben.

Sportübertragungen, die ohne Registrierung verfügbar sind, sind ausgenommen. Wenn es auf den Hauptwohnsitz gar nicht mehr ankäme, könne sich jeder in den 28 Mitgliedsstaaten aussuchen, wo das Pay-TV für einen Film oder für Sportrechte am billigsten sei, hat Oettinger erkannt. Mit einem solchen Vorschlag würde die Kommission »gegen die Wand fahren«.

Überzeugt hat er Deutsche und Franzosen noch nicht. Emmanuel Suard, Direktor des Institut français d’Allemagne, betonte aus Anlass der Verleihung der Europäischen Filmpreise nochmals, Frankreich werde sich mit allen Mitteln gegen die Pläne aus Brüssel wehren, das Geo-Blocking zu verbieten.

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