Gezielte Gewalt gegen die Presse

2015 weltweit 110 Journalisten ermordet

  • Lesedauer: 3 Min.

Die Menschenrechtsorganisation Reporter ohne Grenzen (ROG) veröffentlichte am Montag in Berlin den zweiten Teil ihrer »Jahresbilanz Presserecht 2015«. Demnach sind in diesem Jahr weltweit 110 Journalisten ermordet worden - bei 67 von ihnen konnte ein direkter Zusammenhang zu ihrer journalistischen Tätigkeit nachgewiesen werden. Das sei einer mehr als 2014, erklärte die Journalistenorganisation. Dazu kämen weitere 27 Bürgerjournalisten und sieben Medienmitarbeiter, die in diesem Jahr umgebracht wurden.

Seit 2005 verloren insgesamt 787 Journalisten wegen ihres Berufs oder in seiner Ausübung ihr Leben. Gewalt wird zunehmend gezielt gegen Reporter gerichtet, um unliebsame Berichterstattung zu verhindern und weitere Journalisten abzuschrecken. Für ROG offenbart die hohe Zahl das Versagen der Staatengemeinschaft beim Schutz von Journalisten. »In viel zu vielen Ländern riskieren Journalisten ihr Leben, wenn sie über brisante Themen recherchieren oder die Mächtigen kritisieren«, sagte ROG-Vorstandssprecherin Britta Hilpert. »Diese Zahlen zeigen, dass bislang alle internationalen Bemühungen ins Leere laufen, gezielte Gewalt gegen Journalisten zurückzudrängen.«

Die gefährlichsten Länder für Journalisten waren Irak und Syrien. Dort wurden jeweils mindestens neun Journalisten wegen ihrer Arbeit getötet. In Jemen starben insgesamt acht. Auf der Liste der Länder mit den meisten getöteten Journalisten findet sich auch Frankreich, die acht Opfer des Pariser Attentats auf die Redaktion des Satiremagazins »Charlie Hebdo« im Januar stehen dabei sinnbildlich für eine Tendenz: Rund zwei Drittel der Getöteten starben in Regionen des »Friedens« und nur ein Drittel in Konfliktregionen. 2014 war das Verhältnis noch umgekehrt.

In vielen Fällen bleiben die Motive für die Tötungen unklar. 18 Journalisten starben direkt während der Ausübung ihrer Profession, 49 wurden gezielt ermordet aufgrund missliebiger Berichterstattung oder Recherchetätigkeit über Verbindungen von organisierter Kriminalität und Politik oder gerieten durch islamkritische Blogeinträge und Karikaturen ins Visier von Extremistengruppen. So werden laut ROG beispielsweise in Indien oder Mexiko regelmäßig Journalisten ermordet, die über organisiertes Verbrechen oder heikle Umweltthemen recherchieren. In Bangladesch ermordeten mutmaßliche Islamisten vier säkulare Blogger. Bei weiteren 43 ermordeten Journalisten können die Gründe nicht endgültig geklärt werden, da die Behörden nicht umfassend ermitteln, es am politischen Willen zur Aufklärung fehlt oder weil in politisch instabilen Regionen Ermittlungen nicht möglich sind.

Für ROG weisen die Todesfälle mit ungeklärten Motiven auf das »Problem der Straflosigkeit für Verbrechen an Journalisten in vielen Teilen der Welt«. Die Organisation fordert deshalb einen UN-Sonderbeauftragten für den Schutz von Journalisten. Zuletzt zeigte sich auch UN-Generalsekretär Ban Ki Moon betroffen: »Ich bin in tiefer Sorge darüber, dass es nicht gelungen ist, die Häufigkeit und das Ausmaß gezielter Gewalt gegen Journalisten sowie die fast vollständige Straflosigkeit für solche Verbrechen zu verringern.«

Der erste Teil der »Jahresbilanz Presserecht 2015« von ROG galt den derzeit weltweit 54 entführten sowie 153 inhaftierten Journalisten. ais/epd

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