Im Trüben fischen
Vor der Südamerika-Premiere der Olympischen Spiele kämpft Gastgeber Brasilien mit Rezession und Währungsverfall
2016 wird ein großes Sportjahr: Mehr als 40 Weltmeisterschaften und 30 Europameisterschaften stehen an, darunter die von den Fans in Deutschland herbeigesehnte Fußball-Europameisterschaft in Frankreich. Das strahlende Zentrum des Weltsports indes wird 2016 Rio de Janeiro sein: Die brasilianische Metropole richtet vom 5. bis 21. August die Olympischen Sommerspiele und nach einer kurzen Pause Anfang September auch die Paralympischen Sommerspiele aus. Es ist eine langersehnte Premiere: Erstmals macht Olympia in Südamerika Station.
Wie jeder Ausrichter des Giga-Events Sommerspiele hat auch Brasilien in den letzten Monaten der insgesamt sieben Jahre währenden Vorbereitungsphase so seine Schwierigkeiten. Die Segler aus aller Welt werden im verkeimten Wasser der Guanabara-Bucht ihre Wettkämpfe austragen müssen, in dem sich bei den Testwettbewerben einige bereits schwere Infektionen zugezogen haben, und auch am Velodrom sind die Bauarbeiten klar im Verzug.
Viel schwerer indes wiegen die Rezession, die das Land ergriffen hat und vor allem der Wertverlust der einheimischen Währung Real. Der Real ist gegenüber dem Dollar so stark gefallen, dass es die Olympia-Ausrichter schwer haben: Waren die 7,4 Milliarden Reais, die das Organisationskomitee (OK) im operativen Budget zur Verfügung hat (ohne Ausgaben für Stadionbauten etc.), Anfang des Jahres noch 2,78 Milliarden Dollar wert, sind es Ende Dezember nur noch 1,87 Milliarden Dollar.
Es muss gespart werden in jenem operativen Etat, mit dem unter anderem Eröffnungs- und Schlussfeier, Unterkunft, Transport und Verwaltung gedeckt werden sollen. Eine Reduzierung der 70 000 Freiwilligen auf 60 000 wurde in Betracht gezogen, nach reichlich Kritik aber verworfen, wie auch die Idee von Kommunikationschef Mario Andrada, der überlegt hatte, ob die insgesamt 10 000 Sportler im Olympischen Dorf nicht selbst für die Klimatisierung ihrer Zimmer aufkommen könnten. In alle Appartements im Olympischen Dorf werde eine Klimaanlage eingebaut, versprach ein Sprecher des OK.
Das Internationale Olympische Komitee beauftragte eine Arbeitsgruppe mit der Suche nach möglichen Kosteneinsparungen - wegen bestehender Verträge allerdings ein kompliziertes Unterfangen. Immerhin soll im Olympischen Dorf die Anzahl der Fernseher reduziert werden - statt 3600 werden es nun nur noch 50 Stück in den Gemeinschaftsräumen sein. Fest steht auch, dass die Eröffnungsfeier nicht so opulent wie 2012 in London ausfallen wird, auf »bestimmte bauliche Maßnahmen zur Eröffnung« wird verzichtet. Jene 34 Millionen Euro, die die Briten vor dreieinhalb Jahren für ihre Show im Wembleystadion ausgaben, will man beim Eröffnungsspektakel in Rio auf jeden Fall unterbieten.
Die Auftakt- und Schlusszeremonie der Spiele 2016 wird jeweils im Fußballtempel Estádio do Maracanã ausgetragen - dort, wo 2014 die deutsche Fußballnationalmannschaft den WM-Titel gewann. Damals gelangten die deutschen Schlachtenbummler ganz leicht mit der U-Bahn zum Finale im Maracanã, die Anfahrt zum Olympischen Park in Barra da Tijuca könnte 2016 deutlich schwerer fallen. Barra, eines von vier olympischen Clustern, liegt etwa 20 Kilometer westlich von der Copacabana: Es ist das Zentrum der Spiele, weil hier das Olympische Dorf liegt.
Zu den Spielen im August soll man mit der neuen U-Bahn-Linie 4 gelangen. Doch die Tunnelarbeiten für die neue U-Bahn stellen sich als kompliziert heraus, noch dazu stockt der Bau immer wieder, weil Brasiliens Finanzministerium zugesagtes Geld nicht freigibt. Die Zeitung »O Globo« berichtet, dass die geplanten Kosten von 8,5 Milliarden Reais um 1,2 Milliarden Reais überschritten werden (umgerechnet 270 Mio. Euro). Die U-Bahn, die bis zu 300 000 Menschen am Tag transportieren soll, muss unbedingt rechtzeitig fertig werden: Nach Barra führen nur wenige Schnellstraßen, auf denen sich zur Rush Hour kilometerlange Staus bilden. Eine Busfahrt nach Barra ist schon ohne Olympia oft ein zeitraubendes Unterfangen.
Noch dazu ist Brasiliens linke Regierung seit Monaten gelähmt. Gegen Präsidentin Dilma Rousseff von der Arbeiterpartei (PT) läuft ein Amtsenthebungsverfahren wegen mutmaßlicher Schummeleien bei den Haushaltszahlen, eingeleitet von Parlamentspräsident Eduardo Cunha von der PMDB. Cunha selbst wiederum droht die Aufhebung seiner Immunität, er soll selbst in Korruptionsfälle verwickelt sein. Nur mit Tricksereien über die Geschäftsordnung wahrte er bisher seine Immunität.
Kurz vor Weihnachten wurde bekannt, dass die Staatsanwaltschaft gegen Cunha auch in Sachen Olympische Spiele ermittelt: Der Generalstaatsanwalt wirft Cunha vor, umgerechnet etwa 440 000 Euro von der Baufirma OAS erhalten zu haben. Dafür habe Cunha Gesetzesvorhaben vorangebracht, die OAS konkret von Nutzen waren. Cunha nennt die Vorwürfe »lächerlich«, dennoch sind sie eine Zäsur: erstmals werden im Zusammenhang mit Rio 2016 Korruptionsvorwürfe laut.
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