Hochprozentig ins neue Jahr
Das Mischgetränk Singapore Sling feiert seinen 100. Geburtstag
Der Singapore Sling feiert dieser Tage seinen 100. Geburtstag. Erfunden wurde der Cocktail nämlich 1915 in der Long Bar des berühmten Raffles Hotel in Singapur von der chinesischen Tresenkraft Ngiam Tong Boon. Damals stand das Raffles noch direkt am Meer. Daran erinnert heute nur noch die Adresse »Beach Road« - Strand-Straße. Durch umfangreiche Landgewinnung ist das Meer aber inzwischen gut einen Kilometer von dem schneeweißen, im Kolonialstil erbauten Luxushotel entfernt. Auch die Long Bar befand sich nicht immer an ihrem jetzigen Ort hinter den Arkaden im zweiten Stock der Edelherberge. »Vor einhundert Jahren stand vor dem Hotel der Ballsaal und vor dem befand sich unter freiem Himmel die Long Bar«, erzählt Gladys Ng, eine PR-Dame des Raffles.
Die Long Bar war das Stelldichein der besseren Gesellschaft der damaligen britischen Kolonie. Während stramme Offiziere, kauzige Abenteurer, joviale Beamte und unternehmenslustige Kaufleute sich mit Gin zuschütteten, fehlte ein passendes Getränk für die Ladys. Dieses Manko beseitigte Ngiam Tong Boon. Mit Ananassaft und dem Fruchtsirup Grenadine verlieh der Mann von der Insel Hainan seiner Cocktailkreation eine fruchtige Süße. Das mögen Frauen.
Die Ingredienzien für den Singapore Sling vermischte der Chefbarkeeper des Raffles dann in einem Cocktailshaker mit Gin, Cherry Heering (Kirschlikör), Cointreau und Dom Benedictine. Fertig war der Singapore Sling, der um Gottes Willen also nicht gerührt, sondern geschüttelt wird. »So konnten die Ladys den Schein der Anständigkeit wahren und sich gleichzeitig einen ordentlichen Schwips antrinken«, grinst Ng. Der Rest ist Geschichte. Der Singapore Sling ist das Aushängeschild des Raffles und ein internationaler Cocktailklassiker.
Einer der vielen Promis, die sich im Laufe der Hundert Jahre in der Long Bar mit Singapore Sling berauschten, war der trinkfeste Ernst Hemingway. Auch Somerset Maugham, der sich nach seiner Zeit als Agent im Dienst des britischen Geheimdienstes MI6 als Erzähler von Geschichten über das Lebens in den britischen Asienbesitztümern einen literarischen Namen machte, war ein gern gesehener Gast an der Langen Theke.
Die Long Bar unserer Tage wird vornehmlich von Touristen bevölkert. »Ein Singapore Sling in unserer Long Bar ist ein Muss für Singapurbesucher«, freut sich Ng. In der Tat strömen reihenweise Menschen aus aller Herren Länder von der Bras Basah Road aus durch das unscheinbare Treppenhaus hinauf in die im Stil malaiischer Plantagenbesitzer eingerichtete Long Bar.
An diesem Tag haben es sich schon am frühen Nachmittag gut 50 Gäste in den braunen Korbsesseln gemütlich gemacht. Elektrisch betriebene Punkah Wallah (Fächer) unter der Decke tun so, als ob sie die tropische Schwüle vertreiben. In Wirklichkeit leistet eine nahe dem Gefrierpunkt eingestellte Klimaanlage den Job.
Fast jeder Gast süffelt einen quietschrosafarbenen Singapore Sling. Nur ein paar wenige Männer leisten mit Bier entschlossenen Cocktailwiderstand. »Wir servieren mindestens 800 Cocktails pro Tag«, erzählt Jam, einer der Barkeeper. Angesichts seiner kräftigen Arme glaubt man ihm auch gerne, dass jeder einzelne Cocktail frisch geschüttelt wird.
Der Boden der Bar ist übersät mit den Schalen der Erdnüsse, die es ohne Ende gratis zu Cocktail und Bier gibt. Unter Anspielung auf Singapurs Ruf als blitzsaubere Stadt sagt Jam lachend: »Die Long Bar ist einzige Ort in Singapur, den man ungestraft zumüllen darf.«
Die Erdnüsse zum Silvester-Singapore-Sling kauft man beim Discounter. Den Cocktail mixt man selbst: 30 ml Gin, 15 ml Cheery Heering Likör, 120 ml Ananassaft, 7,5 ml Cointreau, 7,5 ml Dom Benedictine, 10 ml Gernadine, ein kleiner Schuss Angustora Bitter. Das Glas mit einem Stückchen Ananas und einer Cocktailkirsche dekorieren. Prosit Neujahr.
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