Tsipras unter Druck
Zentralbankpräsident von Hellas und Auflagen der Troika machen Griechenlands Premier zu schaffen
Athen. Die internationalen Geldgeber müssten wissen, dass die mit ihnen getroffenen Vereinbarungen »buchstabengetreu« erfüllt würden. Das sagte der griechische Regierungschef Alexis Tsipras der griechischen Zeitung »Real News« vom Sonntag. Das bedeute jedoch nicht, »unzumutbaren und ungerechten Forderungen« nachzugeben. Es gebe keine Verpflichtung, die geforderten Einsparungen »ausschließlich durch Rentenkürzungen« zu finanzieren. Vielmehr gebe es die Möglichkeit »gleichwertiger Maßnahmen«, die Athen bereits auf den Weg gebracht habe.
Tsipras räumte zugleich ein, dass sich das Rentensystem »am Rande des Abgrunds« befände und gründlich überprüft werden müsse. Das griechische Arbeitsministerium arbeitet an einer Überarbeitung der sozialen Sicherheitssysteme. Berichten zufolge ist vorgesehen, vom Staat garantierte Renten um die Hälfte zu kürzen - bis zu einem Minimum von 384 Euro. Die übrigen Altersansprüche sollen von den jeweiligen Einkommen und Beitragsleistungen abhängen.
Der Anfang Dezember vom griechischen Parlament mit knapper Mehrheit verabschiedete Haushalt 2016 berücksichtigt die Auflagen der internationalen Gläubiger. Athen hatte im Juli in Verhandlungen mit der EU-Kommission, der Europäischen Zentralbank (EZB) und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) zusätzlichen harten Einschnitten zugestimmt, um ein dringend benötigtes drittes Hilfspaket von bis zu 86 Milliarden Euro zu erhalten.
Der Ministerpräsident äußerte sich in dem Zeitungsinterview optimistisch zu Griechenlands Zukunft. 2016 werde das Land nach sechs Jahren Krise ein Jahr des Wachstums erleben. »Wir werden die Kapitalkontrollen beenden, die Schulden verringern und auf die Märkte zurückkehren«, sagte er.
Tsipras’ Landsleute scheinen das anders zu sehen. Eine am Sonntag von der Zeitung »To Vima« im Auftrag des Meinungsforschungsinstituts Kappa veröffentlichte Umfrage besagt, dass 55 Prozent der Befragten für 2016 mit einer Verschlechterung der Lage rechnen. 61 Prozent erwarten, dass die Frage eines Austritts Griechenlands aus der Eurozone wieder aktuell wird.
Skeptisch blickt auch Griechenlands Zentralbankchef Ioannis Stournaras ins Jahr 2016. Er hat die Regierung von Ministerpräsident Alexis Tsipras zur Umsetzung des Reformprogramms aufgefordert. Ein neuer Streit mit dem Partnern in der Eurozone würde Griechenland wieder in eine tiefe Krise stürzen, sagte Stournaras der Athener Zeitung »Kathimerini« (Sonntag). »Ein neuer Rückzieher (vom Reformprogramm) ist undenkbar.« Stournaras rief zu einer breiteren Verständigung der politischen Kräfte des Landes auf. Auch das Parlament müsse angesichts schwieriger neuer Sparmaßnahmen mitmachen. Dort steht in den kommenden zwei Monaten die Abstimmung über umstrittene Gesetze an, die Voraussetzungen für die Gläubiger sind, Griechenland weiter unter die Arme zu greifen. Dabei geht es um eine umfangreiche Rentenreform sowie um zusätzliche Steuern für Landwirte.
Europa sei nun verwundbarer, warnte Stournaras. Es gebe neue »asymmetrische Probleme« wie Terror und Flüchtlingskrise. Ein neues Scheitern des griechischen Rettungsprogramms wäre demnach »äußerst gefährlich«, mahnte der Notenbankchef. Agenturen/nd
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.