Feudaler Niedergang
Nach der Wende billig verkauft, verrotten viele Schlösser in privater Hand
Schlossherr werden für wenig Geld: Ein Traum, der in den Jahren nach dem Ende der DDR zum Kauf einer renovierungsbedürftigen ungenutzten Feudalimmobilie verführen konnte. Doch oft erwies sich das Herrichten der Bausubstanz als viel teurer als erwartet, Folge: Abbruch der Restaurierung, Beginn des Verfalls teils historisch bedeutender Gebäude. Besonders häufig gab und gibt es solches Schlosssterben in Mecklenburg-Vorpommern. Nicht, weil dort weniger pfleglich mit den Häusern umgegangen wird, sondern weil es die schlossreichste Region Deutschlands, wenn nicht sogar Europas ist und rund 2200 ehemalige Adelsquartiere vorweisen kann. Etwa 250 von ihnen seien im Bestand akut bedroht, heißt es von Experten.
Trauriges Zeugnis dieser Entwicklung ist beispielsweise das Gutshaus Patzig auf Rügen. Im Jahre 1867 errichtet, war es nach 1945 Schule und Ferienlager. Seit es wieder in Privatbesitz ist, verfällt das Haus, wirkt wie eine düstere Ruine. Hell und freundlich dagegen zeigt das Herrenhaus Samow bei Rostock, dass der Erwerb eines ehemaligen Edelwohnsitzes durchaus nicht »ruinös« enden muss. Der Eigentümer hatte das Objekt 1992 gekauft und dann selbst beim Renovieren kräftig mit angepackt. Ein schmuckes Haus, in dem Ferienzimmer gemietet werden können, erfreut nun die Betrachter.
Ärger statt Freude bereiten zurzeit allerlei Querelen um das vom Verfall bedrohte Schloss Gadebusch in Nordwestmecklenburg. Nach 1945 hatte der Renaissancebau aus dem Jahre 1573 als Internat gedient. »Ich habe selbst von 1952 bis 1956 dort als Schülerin gewohnt - es ist schlimm, wie es da heute aussieht«, erzählt Luise Krüger aus Gadebusch dem »nd«. Sie sitzt für die LINKE in der Stadtvertretung, berichtet, weshalb sich ihre Fraktion jetzt für die Enteignung der neuen Schlossbesitzer ausspricht.
Nach der Wiedervereinigung hatte die Bundesrepublik den Komplex in private Hände verkauft. Es gab Besitzerwechsel, seit 2012 gehört das Schloss einem Verein namens »HoffnungsGut«. »Der wollte dort ein soziales Projekt schaffen«, weiß Luise Krüger. Wohnungen sollten entstehen - für Senioren und für Frauen, die Gewalt erlitten hatten und deren Kinder. Doch nichts ist bis jetzt entstanden außer Ärger, denn: Dem Verein fehlt offensichtlich das Geld für die Renovierung des Schlosses. Bislang hat er nicht einmal die denkmalrechtlichen Auflagen des Kreises zum Witterungsschutz erfüllt. Der aber ist dringend geboten: Fenster sind zerbrochen, Wände feucht.
Für Unmut bei der Stadt sorgt zudem ein Brief, in dem sich »HoffnungsGut« bei Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) und dem Bundestagsabgeordneten Gregor Gysi (LINKE) über regionale Modalitäten bei der Vergabe von Fördergeldern beklagt und vorschlägt, als »Zwischenschritt« könnten Flüchtlinge unter fachlicher Anleitung mit der Wiederherstellung des Schlosses beginnen. Was sich der Verein von diesem Schreiben verspricht? »Wahrscheinlich, dass sich die Politiker für Fördermittel einsetzen«, meint Luise Krüger. Dass der Brief bekannt wurde, gefällt »HoffnungsGut« wohl kaum. Die »Schweriner Volkszeitung« berichtet, ein Vorstandsmitglied des Vereins habe ihr »mit einem Anwalt gedroht«, falls Inhalte aus dem Schreiben veröffentlicht würden.
Dem Verein droht womöglich der Verlust des einstigen Fürstensitzes. Ein Fachausschuss der Stadtvertretung befasst sich zurzeit mit dem Antrag der LINKEN, sowohl die Landesregierung als auch der Kreistag mögen prüfen, ob sich der Kaufvertrag zwischen dem vorherigen Schlossbesitzer und dem Verein aufheben lässt und ob die Enteignung möglich erscheint. Dieser »drastische Schritt«, so die Linksfraktion, sei notwendig, weil kein Nutzungskonzept für das Schloss vorliege und die Bauschäden an diesem überregional bedeutsamen Kunstdenkmal weiter fortschreiten. »Es ist wirklich traurig, zu beobachten, wie das Schloss kaputt geht«, sagt Luise Krüger mit Blick auf ihr früheres Internat.
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