Härtetest für den Vertrauenskredit
Moskau bietet sich an als ehrlicher Makler beim Konflikt zwischen Riad und Teheran
Moskau ist bereit, die Vermittlerrolle bei der Regelung des Konfliktes zwischen Iran und Saudi-Arabien zu übernehmen. Das teilte ein hochrangiger Beamter des russischen Außenministeriums der Agentur RIA Novosti mit.
Von Irina Wolkowa, Moskau
Die Beziehungen Russlands zu jedem der beiden Staaten waren kaum jemals besser als heute. Darauf basierend hat die russische Regierung sich für eine Vermittlungsrolle im iranisch-saudischen Konflikt angeboten. Vor allem durch Bemühungen Russlands, so ein Vertreter des Außenministeriums sei es gelungen, die internationale, so genannte Wiener Gruppe zur Unterstützung Syriens zu gründen, in der sowohl Iran als auch Saudi-Arabien mitarbeiten. Moskau wolle diesen Mechanismus auch »für die Regelung bereits bestehender und neu entstandener Widersprüche zwischen den beiden Staaten« nutzen.
»Als Freunde wären wir, falls nötig, bereit, die Vermittlerrolle zu übernehmen«, so der Diplomat. Das Außenamt habe bereits Treffen in Russland angeboten. Moskau habe sowohl bei Iran als auch bei Saudi-Arabien einen »Vertrauenskredit«. Nahostexperten sind sich da so sicher nicht. Russland werde scheitern, fürchtet Alexej Malaschenko vom Moskauer Carnegie-Zentrum. Das Bündnis gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS), das Moskau unmittelbar vor möglichen Luftschlägen in Syrien mit Präsident Baschar al-Assad, Irak und Iran aushandelte, werde im überwiegend sunnitischen Nahen Osten weniger als politisch-militärisches, sondern als religiöses Bündnis Russlands mit den irregeleiteten Schiiten wahrgenommen. Als quasi Teil des Konfliktes würden Moskaus Chancen für erfolgreiche Vermittlung zwischen beiden Kampfhähnen gegen Null tendieren. Medien fragen sich ohnehin, ob das Wort Freundschaft für die Beschreibung des russisch-saudischen Verhältnisses überhaupt angebracht sei und wenn ja, wie belastbar diese ist.
Zu Recht: Es waren vor allem saudische Hassprediger, die in der Götterdämmerung der Perestroika und in den wilden Neunzigern in Zentralasien und Russlands Muslimregionen aggressiv missionierten und die tschetschenischen Separatisten radikalisierten. Und wie schon die Sowjetunion hält auch das postkommunistische Russland die Saudis als Handlanger Washingtons politisch nur für begrenzt souverän. Nicht sie, sondern die USA hätten die islamische Anti-Terror-Koalition, deren Gründung das Königreich Mitte Dezember bekanntgab, binnen weniger Stunden aus dem Boden gestampft. Nicht für den Kampf gegen IS, sondern als Gegengewicht zu Russlands Militärpräsenz in Syrien. Entsprechend matt fiel der Beifall von Präsident Wladimir Putin auf dessen Jahrespressekonferenz aus.
Scheitert Moskaus Vermittlung beim Konflikt zwischen Iran und Saudi-Arabien, schrumpft, wie Nahostexperte Malaschenko fürchtet, nicht nur Moskaus Einfluss auf seine wenigen sunnitischen Freunde wie Jordanien oder Ägypten auf mikroskopische Größe. Das Schiitenbündnis selbst könnte kollabieren. Das würde das Ende von Moskaus ohnehin geringem Einfluss auf Iran bedeuten.
Beider Freundschaft ist aus Sicht von Analysten durch die Entwicklung der Preise für Öl und der daran gekoppelten für Gas ohnehin akut bedroht. Iran und Russland und Iran würden unter dem Verfall am stärksten leiden. Beide seien daher gezwungen, um Marktanteile zu kämpfen und würden dabei auch auf Saudi-Arabien treffen. Sinkende Ölpreise, so Malaschenko, hätten große Löcher in dessen Haushalt gerissen, das saudische Staatsmodell - soziale Wohltaten für politisches Wohlverhalten der Bürger - sei akut bedroht.
Verschwörungstheoretiker glauben, um die Preise wenigstens auf dem derzeitigen Niveau stabilisieren zu können - Krieg belebt das Geschäft - habe Moskau kein Interesse an Krisenmanagement. Auch gehöre nicht nur Iran zu den besten Kunden von Russlands staatlichem Rüstungsexporteur Rosoboronexport gehört. Absichtserklärungen zu militärtechnischer Zusammenarbeit mit gleichem Volumen - umgerechnet zehn Milliarden Dollar - unterzeichnete Moskau auch mit den Saudis.
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