Die ganze Welt neu denken

Neil MacGregor und seine alchemistische Kuratorenleistung

  • Roland Mischke
  • Lesedauer: 3 Min.

Er ist gebildet, aber nicht eingebildet. Er ist belesen, doch er wirft nicht mit Zitaten um sich. Neil MacGregor ist Schotte und spricht Deutsch, sein Lieblingswort ist »Donaudampfschifffahrtskapitän«. Er ist der richtige Mann für eine schwierige Aufgabe. MacGregor, langjähriger Direktor des British Museums in London, ist seit Januar Leiter der Gründungsintendanz des Humboldt-Forums. Noch ist es ein diffuses Projekt, von dem man bisher nur weiß, dass dort die Sammlungen außereuropäischer Kunst aus dem Berliner Bezirk Dahlem gezeigt werden sollen. Aber mit dem fast 70-Jährigen ist nun ein erfahrener Museologe im Spiel.

Der neue Mann schätzt Deutschland und seine Kultur. Was Deutsche intellektuell geleistet haben, das hält er für einzigartig. Wichtig ist ihm die nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelte Erinnerungskultur. In den meisten Ländern gebe es nicht mal einen Begriff dafür. Deutschland indes betrachte es als seine Pflicht, »die düsteren Kapitel auszuleuchten«. Er könne sich nicht vorstellen, dass in London oder Paris ein Denkmal wie das Holocaust-Mahnmal in Berlin errichtet werden könnte, »ein Monument der eigenen Schande«. Dabei sei die »koloniale und imperiale Gewalttätigkeit von Briten und Franzosen« ein längst nicht bewältigtes Kapitel.

Und nun der Umgang mit den Flüchtlingen. MacGregor ist fasziniert. Alle europäischen Staaten sehen die Migrationsbewegungen als innenpolitisches Problem an. In Deutschland aber habe »die politische Klasse darauf bestanden, diese Krise auch als moralische und ethische Herausforderung zu behandeln«. Seit der Reformation im 16. Jahrhundert sei hier eine »größere Freiheit des Denkens« und »ein wunderbarer Wettbewerb zwischen den Städten« entstanden, so wie nirgendwo auf dem Kontinent.

MacGregor sieht das nicht nur in Berlin unbeliebte Schloss, das Humboldt-Forum heißt, weil es die Humboldtsche Weltoffenheit verkörpern und vereinen soll, als »Chance, die ganze Welt neu zu denken«. Ein riesiges Haus soll gefüllt werden, Millionen an Steuergeldern - 2016 verfügt er über 3,5 Millionen Euro - müssen sich »rechnen«. Als Basismaterial steht MacGregor vor allem Beute zur Verfügung, die das Deutsche Reich in seiner kolonialen Expansionsphase zusammenraffte. Wie will MacGregor daraus das »Bild eines humanen, kultivierten und kosmopolitischen Deutschlands« formen? Man weiß es nicht, kann aber gespannt auf die nun anstehende alchemistische Kuratorenleistung sein.

MacGregor kündigt an, die Dahlemer Sammlungen gut durchzumischen. Aus der Kolonialbeute soll ein offener Dialog der Weltkultur werden. Dabei setzt er stark auf den Namen Humboldt. Die Forscher hätten »Berlin in den 1820er Jahren zum intellektuellen Zentrum der Welt« erhoben. Das Projekt soll »von globaler Bedeutung« sein. Er wird die Geschichte seines Gastlandes kondensieren und neu erzählen. Gelingt das, wäre MacGregor tatsächlich die beste Besetzung für dieses Amt.

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