Die Bhuttos in Larkana
Selbst in der Heimat von Pakistans prominentester Familie bleiben Hoffnungen auf Besserung unerfüllt
Für Millionen ihrer Untertanen und Anhänger sind die Bhuttos und ihr politischer Arm, die Volkspartei (Pakistan Peoples Party, P.P.P.), der Inbegriff sozialer Gerechtigkeit und des Fortschritts. Demnach müsste gerade die Stadt Larkana, wo die Bhuttos ihren hoch gesicherten Familiensitz haben, ein sprudelnder Quell des Guten sein.
Neben dem riesigen Mausoleum der Bhuttos liegt das nagelneue internationale Kricketstadion Larkanas. Es ist benannt nach der Familie und bezahlt mit Regierungsgeldern. Seit dem Anschlag auf das Team Sri Lankas im Jahre 2009 in Lahore kommen jedoch keine internationalen Mannschaften mehr nach Pakistan. Um beide Areale herum liegen die Ländereien der Bhuttos. Auf vielen sieht man Brunnen, die mit Regierungsgeldern für bedürftige Farmer gebaut worden sind.
Die Landstraße in das 20 Kilometer entfernte Zentrum ist ebenfalls von Feldern gesäumt. Der Distrikt Larkana ist im Lande der Hauptlieferant von Tomaten und Melonen. Doch gibt es nicht eine verarbeitende Fabrik in der Region. Die Haine sind voller Dattelbäume, deren Früchte mit großer Wahrscheinlichkeit auf dem Gabenteller vieler indischer Hindus im Ritual der Götterehrung Puja landen werden, da Indien der größte Dattel-Abnehmer Pakistans ist. Vor Ort gibt es jedoch weder Kühlhäuser noch eine veredelnde Verpackungsindustrie. So machen ausländische Zwischenhändler den Hauptprofit.
In den engen Straßen im Zentrum Larkanas stauen sich Eselskarren, Traktoren, Autos und Motorrikschas; letztere sind laut Gesetz schon seit Jahren aus der Innenstadt verbannt. Zwischen den Müllhaufen stehen Straßenlaternen, die mit Solarstrom betrieben werden. Doch hat man offenbar vergessen, im Regierungsbudget an die Reinigung der verdreckten Solarzellen zu denken - so bleibt es nachts dunkel.
Das Budget für die jährliche Januar-Reinigung des Bewässerungskanals für den Reisanbau steht bereit, der stinkt derzeit halb leer vor sich hin. Aber es werden wohl wie jedes Jahr private Kleinunternehmer mit ihren Traktoren sein, die sogar noch Geld mitbringen, um den Kanalboden vom Sand zu befreien, um diesen anschließend zu verkaufen.
Quer durch die Stadt reißen Arbeiter derzeit die Kanalisation wieder auf, die im Jahr 2008 für mehrere Millionen Dollar angelegt wurde. Sie funktioniert wegen Konstruktionsfehlern nicht. So hat man jetzt weitere Millionen Dollar für die Renovierung aufbringen müssen - leitende Bauführer sind vor Ort aber nicht in Sicht. Die Stadtverwaltung hat gerade andere Probleme. Bei einer ersten Zählung der Angestellten wurde festgestellt, dass mehr als 300 Angestellte bezahlt werden, die nie eingestellt wurden. Im weiter südlich gelegenen Karachi ist man schon bei 7000 imaginären Angestellten.
Einzig die am stärksten unterbesetzte staatliche Behörde in Larkana macht laut Bevölkerung den besten Job. Es ist die Polizei, die aus dem benachbarten Hyderabad ein System übernommen hat, nach dem es auch hier nur zwei Arten von Kriminellen geben soll: halb oder ganz tote. Nun könnte man auf das Rechtssystem verweisen, doch einer der wenigen engagierten Staatsanwälte Larkanas, der sich kritisch über führende Politiker der Stadt geäußert hatte, ist buchstäblich in die Wüste versetzt worden - in die Sandwüste Thar im Südosten des Landes.
Neben der frisch geteerten Airport Road zeigt sich an den ersten Gebäuden der zukünftigen Universität Larkanas, natürlich ebenfalls benannt nach den Bhuttos, dass hier schon etwas passiert. Doch die Existenz von mehr als 40 000 sogenannten Geisterlehrern allein im Sindh genügt, die Euphorie erheblich zu bremsen.
Dass die Laternen auch an dieser neuen Straße nicht funktionieren, obwohl man es mit herkömmlichen Modellen versucht hat, fällt nicht weiter auf. Alles Pfostenähnliche ist ohnehin mit Plakaten der Bhutto-Partei P.P.P behängt, die in Larkana wie im Sindh die Regierung stellt. Dabei hat man auf Fotos des Parteivorsitzenden und letzten Präsidenten Pakistans Asif Ali Zardari verzichtet. Dabei war es sein Verdienst, dass die P.P.P als erste Partei des Landes eine volle Wahlperiode überstand (2008-2013). Die offene Korruption und der wirtschaftliche Verfall des Landes war aber selbst hartgesottenen Parteiveteranen zu viel. Doch sind sich Pakistans Experten einig, dass Zardari einen Löwenanteil zweckentfremdeter Milliarden brauchte, um seine eigenen Parteifreunde und die Opposition ruhigzustellen.
Dass auf der Airport Road keine Arbeiter zu sehen sind, die laut Regierungsbudget die Grünanlagen auf den Mittelstreifen und am Straßenrand instand halten sollen, verwundert nicht. Es wurden ja kaum Grünanlagen angelegt. So nutzen Bauern den freien Platz, um per Hand Reishalme zu dreschen und die Spreu vom Korn zu trennen; auf dem Asphalt vor ihnen sind vorwiegend mit Heu beladene Eselskarren und Traktoren zu sehen.
Das Ziel der Airport Road ist nicht der Flughafen - ohne den Maschendrahtzaun würde man ihn kaum wahrnehmen. Die zwei Flüge pro Woche werden fast unbemerkt abgefertigt. Ziel ist die rund 40 Kilometer südlich gelegene Stadt Mohenjo-Daro. Erbaut vor knapp 5000 Jahren auf einem Sockel aus Lehmziegeln, konnten ihr nicht einmal die jährlichen Hochwasser des nahen Indus etwas anhaben. Knapp 40 000 Menschen lebten hier einst in gut geplanten Stadteilen, deren Häuser Bäder besaßen. Ein größeres öffentliches Bad gab es, dazu eine Kanalisation, öffentliche Müllplätze und Schulen.Seit 1980 gehören die Ruinen Mohenjo-Daros zum UNESCO-Weltkulturerbe.
Bei den Bhuttos hat das Erbe der junge Bilawal angetreten; sich von seinem Vater Zardari distanzierend, wirbt er mit seiner P.P.P für Fortschritt und soziale Gerechtigkeit - als hätte es so etwas hier nie gegeben.
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