Feldhasen zieht es in die Stadt
Lichtenberg initiiert Projekt zur Erforschung der Tiere
Nein, Heinz Nabrowsky, der Leiter des Fachbereiches Naturschutz im Bezirksamt Lichtenberg, hat sich nicht geirrt: Schon mehrmals beobachtete er Feldhasen in Lichtenberg und auch Marzahn. »Mitten im Wohngebiet tauchten sie auf, sogar auf einem Sportplatz sah ich sie«, sagt der engagierte Mitarbeiter.
Auch weiter Richtung Stadtmitte sind immer wieder die langohrigen Tiere anzutreffen. Vor allem im Bereich am Fennpfuhl, bis zur Landsberger Allee und dem Landschaftspark Herzberge sowie in Friedrichsfelde, Rummelsburg und Karlshorst wurden vermehrt welche gesichtet. Schätzungen zufolge soll es in Lichtenberg etwa 100 Feldhasen geben.
Das sei schon erstaunlich, sind sich Naturschützer und Wissenschaftler einig. Denn statistische Erhebungen machen deutlich: Im angrenzenden Land Brandenburg leben kaum noch Feldhasen. Und das, obwohl es dort eigentlich weite Auslaufflächen und somit optimale Lebensbedingungen für die Langohren gibt. »Nur noch acht bis zehn Tiere pro 100 Hektar sind dort anzutreffen«, berichtet Professor Jörns Fickel, Leiter der Abteilung Evolutionsgenetik am Leibnitz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW). In Nordrhein-Westfalen gibt es dagegen 40 bis 45 Feldhasen auf 100 Hektar.
Der Molekularbiologe kann sich momentan jedenfalls nicht erklären, wie die Hasen nach Berlin kommen, obwohl es in Brandenburg kaum noch welche gibt. Vom aktuellen Projekt des Lichtenberger Bezirksamtes erhofft er sich zumindest »weitere Erkenntnisse für des Rätsels Lösung.«
In Kooperation mit dem IZW soll 2016 und 2017 die Lebensweise der Langohren erforscht werden. Unter anderem sind Fragen nach dem Weg, den die Tiere nehmen zu klären, wo sie sich aufhalten und wie groß ihre Streifgebiete sind. »Einige Feldhasen werden mit Sendern versehen, um ihr Bewegungsverhalten aufzuzeichnen«, sagt Lichtenbergs Stadtentwicklungsstadtrat Wilfried Nünthel (CDU). Die gewonnenen Erkenntnisse sollen in künftige Planungen einfließen und somit den Bezirk noch »hasenfreundlicher« gestalten.
Das betrifft beispielsweise »die systematische Weiterentwicklung von Grünflächensystemen«, macht Heinz Nabrowsky deutlich. »Unsere gesammelten Daten helfen uns dann, Entscheidungen zu treffen«, betont er.
Um auf so viele Werte wie möglich zurückgreifen zu können, bezieht der Bezirk die Bürger in sein Projekt ein. Wer Feldhasen sichtet - sie sind deutlich größer als Kaninchen, besitzen braunes Fell mit schwarzen Beimischungen und ihre Ohren sind länger als der Kopf - kann seine Beobachtungen via Onlineformular oder per Telefon (902 96 77 42 95) melden.
Eine erste Vermutung, warum die Hasen gerade in Lichtenberg gerne leben, hat Professor Fickel schon: »Im Gegensatz zur freien Landschaft gibt es in der Stadt weniger Prädatoren - Beutegreifer.« Zudem bieten die Grünflächen im Bezirk ausreichend Nahrung. Außerdem werde die Fluchtdistanz der Tiere immer kürzer, das heißt sie gewöhnen sich an Geräusche, lernen sie zu differenzieren und stufen den Großstadtlärm als harmlos ein.
Erfahren die Wissenschaftler demnächst, wo genau es Feldhasen gibt, werden sie sich ganz gezielt auf die Suche nach dem Kot machen, der wertvolle Informationen liefert, erklärt Fickel.
Heinz Nabrowsky hat noch einen wichtigen Tipp an Beobachter: »Scheinbar einsam dasitzende kleine Häschen sind keineswegs verlassen oder hilfebedürftig und dürfen nicht mitgenommen werden.«. Die Häsin suche ihr Junges nämlich nur einmal am Tag zum Säugen auf, um keine Feinde auf das Versteck aufmerksam zu machen.
Wie fast alle heimischen Säugetierarten ist der Feldhase besonders geschützt, steht sogar in der Roten Liste, eingestuft als »gefährdet, Kategorie 3«. Experten sind sich einig, dass die Intensivierung der Landwirtschaft zum Rückgang der Mümmelmänner führte.
Das Formular gibt es unter: www.berlin.de/ba-lichtenberg/auf-einen-blick/freizeit/gruen/formular.297823.php
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