Demokratie als Aufgabe
Bildungsrauschen
Politische Bildung in Deutschland wird in der Regel von Parteien, Kirchen, Gewerkschaften, aber auch von den Landeszentralen und der Bundeszentrale für Politische Bildung (bpb.de) wahrgenommen. Hierbei ist die bpb von zentraler Bedeutung. Organisiert als eine »nichtrechtsfähige Bundesanstalt«, die dem Bundesministeriums des Innern untersteht, hat sie gemäß ihrem Erlass von 2001 die Aufgabe, mittels Bildung das Verständnis von »politischen Sachverhalten« zu vertiefen, »demokratisches Bewusstsein« zu fördern und zur »politischen Mitarbeit« anzuregen. Unterstützt wird sie dabei von einem wissenschaftlichen Beirat, der sich aus zwölf Sachverständigen zusammensetzt und deren Mitglieder ebenso wie der Präsident der Zentrale durch den Bundesinnenminister berufen werden. Mit seiner Genehmigung kann sich der Beirat eine eigene Geschäftsordnung geben. Bei Abweichung einstimmig gefasster Empfehlung des Beirats muss sich der Präsident der bpb vom Bundesministeriums des Innern eine »Entscheidung holen«. Zudem wird die Arbeit durch ein Kuratorium aus 22 Bundestagsabgeordneten kontrolliert.
Damit erfolgt politische Bildung nicht dem Weimarer Vorbild der Staatsbürgerkunde, die diese dem Staat direkt zugeordnet war. Dennoch hat die Struktur zentralistische Elemente. Ob diese noch zeitgemäß sind oder ob eine Öffnung beziehungsweise ein Mehr an Partizipation erforderlich wird, ist eine Diskussion wert. Denn Ausgangspunkt der bpb war der unbedingte Wille einer Demokratisierung Deutschlands. 1947 verabschiedeten die vier Siegermächte die »Grundlegenden Richtlinien für Erwachsenenbildung in Deutschland«, deren Ziel die Herausbildung von »tätigen Helfern zur demokratischen Erziehung Deutschlands« war. Hierfür sollten zunächst nur erwachsene Bürger Zugang zu den »neuesten sozialen, politischen und wissenschaftlichen Erkenntnissen« bekommen. Zum geflügelten Begriff wurde das Konzept des US-amerikanischen Sektors, das der »Re-Education«. Dessen Ziel war es, die Deutschen in die »Kulturgemeinschaft zivilisierter Nationen zurückzuführen«. In dem bereits 1946 vorgelegten Gutachten wurde auf das »Bildungs- und Erziehungsideal« der Volkshochschulen fokussiert. Damit sollte das »Individuum dazu befähigt« werden, in einer »demokratischen Gesellschaft« zu leben. Gleichzeitig sprach man sich gegen eine »Monopolstellung der Volkshochschulen« aus. Freie Träger der Erwachsenenbildung wie Gewerkschaften und Kirchen sollten gleichermaßen an der politischen Bildung beteiligt werden.
So entstand mit der Zeit ein komplexes Angebot politischer Bildung, das - auf merkantile Weiterbildungszwecke reduziert und dem freien Markt überantwortet - ausblutet. Zwar gilt die Bestimmung des »individuellen Verhältnisses zum Politischen« und das Prinzip der von »Generation zu Generation« zu lernenden Demokratie, nur müssten diese Paradigmen angepasst und ausgebaut werden. Denn mit dem Neoliberalismus und der Digitalisierung wächst auch die Vielfalt an Lebensformen samt Bedarf nach Mitbestimmung. Lena Tietgen
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