Ex-Gefangene finden leichter einen Job
Der Fachkräftemangel in Thüringen hat in den vergangenen Jahren nach Einschätzung von Bewährungshelfern auch die Jobperspektiven von ehemaligen Strafgefangenen verbessert. Zwar hätten viele Arbeitgeber nach wie vor große Vorbehalte dagegen, einen ehemaligen Gefängnisinsassen als Mitarbeiter einzustellen, erklärt Andreas Schur, der im Justizbezirk Erfurt als Bewährungshelfer arbeitet und dort den sozialen Dienst der Justiz leitet. Das öffentliche Image von Menschen, die im Gefängnis saßen, habe sich in den vergangenen Jahren kaum verändert. Allerdings gelinge es heute über den Umweg von Zeitarbeitsfirmen sehr viel einfacher als früher, Ex-Häftlingen zu einem Job zu verhelfen. Diese Tendenz sei seit etwa 2011 zu beobachten, so Schur. Zum Justizbezirk Erfurt gehören neben den Städten Erfurt und Weimar auch die Landkreise Sömmerda, Gotha, Weimarer Land sowie teilweise der Ilmkreis und der Kyffhäuserkreis.
Unter anderem in der Logistikbranche sei es für einstige Häftlinge heute möglich, wieder einen Arbeitsplatz zu bekommen, sagt Schur. Dass dort auch niedrig qualifizierte Mitarbeiter gebraucht würden, komme den »Klienten« der Bewährungshelfer inzwischen immer wieder zu Gute. Vor allem der Raum Mittelthüringen mit seiner hohen Konzentration an Versandunternehmen biete ihnen daher die Chance auf einen Neustart.
Schur sagt, er kenne Fälle, in denen zwar große Logistikunternehmen selbst die Bewerbungen von Ex-Gefangenen um einen Job abgelehnt hätten. Die Zeitarbeitsfirmen, mit denen diese Unternehmen zusammenarbeiten, hätten diese Menschen aber als Arbeitskräfte akzeptiert - und sie dann als Mitarbeiter an genau jene Betriebe vermittelt, die ihre Bewerbung zuvor abgelehnt hatten. Im Ergebnis arbeiteten die ehemaligen Strafgefangenen nun in dem Unternehmen, in dem sie sich beworben hatten.
Nach den jüngsten verfügbaren Daten des Thüringer Landesamtes für Statistik wurden 2014 insgesamt 2811 Menschen in Thüringen von einem Gericht zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. In der überwiegenden Mehrzahl handelte es sich dabei um Männer - weshalb auch in deutschen Gefängnissen viel mehr Männer als Frauen sitzen. Thüringer Gerichte verurteilten zwischen Januar und Dezember 2014 den Angaben nach lediglich 333 Frauen zu einer Gefängnisstrafe.
Damit die ehemaligen Häftlinge nicht ausschließlich auf Jobs für Un- oder Angelernte angewiesen sind, gibt es in Thüringer Gefängnissen ein breit gefächertes Angebot von Aus- oder Weiterbildungsangeboten. Sie sollen Gefangenen helfen, sich in der Welt außerhalb der Haftanstalten schneller integrieren zu können. Wie erfolgreich diese und andere Resozialisierungsmaßnahmen sind, ist allerdings umstritten. Bewährungshelfer selbst räumen ein, wer einmal im Gefängnis saß, habe eine hohe Wahrscheinlichkeit, noch einmal mit dem Gesetz in Konflikt zu kommen und dann erneut zu einer Gefängnisstrafe verurteilt zu werden.
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