Nadelnder Abschied
Bernd Kammer weint seinem Boom eine Träne nach
Welch ein Elend: Das Weiß ist dahingeschmolzen, auf unseren Straßen und Plätzen macht sich wieder tristes Grau breit. Doch zunehmend lockert mehr oder weniger frisches Grün die Tristesse auf: Tausende Weihnachtsbäume säumen den Straßenrand. Eben noch voller Lametta und anderem Glitzerzeugs Mittelpunkt unserer guten Stuben, sind sie über Nacht obdachlos geworden.
Eigentlich ein erbarmungswürdiger Anblick, wie die Nadeln so dahinrieseln, sofern sie nicht schon in Polstern und Teppichen stecken oder sich auf andere Weise an ihren Entsorgern gerächt haben (nie wieder wird der Autor dieser Zeilen einen Baum durchs Fenster werfen, ohne sich zu vergewissern, dass der Obermieter es nicht justament genauso macht).
Dabei ist der Baum nicht nachtragend und bietet auch nach seinem Rausschmiss vielfältige Verwendungsmöglichkeiten. So sorgt er mit seinem Rest-Grün in freier Natur noch für einen kleinen Lichtblick in grauer Jahreszeit. Und unseren Jüngsten helfen die nadelnden Ungeheuer ein wenig über den Schneemangel hinweg. Ganz in der Nähe des nd-Redaktionsgebäudes haben sie es jedenfalls nicht allein dem Wind überlassen, die Krücken zu wilden Haufen aufzuschichten. Darin lässt sich prima rumtoben. Baumhöhle statt Iglu. Dabei ist jetzt auch in den Wohnungen wieder Platz. Katzen und Kinder können frei laufen gelassen werden, ohne befürchten zu müssen, dass sie um die Wette den Stamm raufkrabbeln.
Doch das Ende seiner Laufbahn ist abzusehen. Hat uns der Boom ein paar Tage das Herz erwärmt, dient er jetzt ganz und gar als Energiespender. Die BSR sammelt ihn ein, verfeuert ihn oder wirft die saftigsten Exemplare den Elefanten zum Fraß vor.
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