Mit Kater Karlo gemeinsam im Grab
Ein neues Stück Bestattungskultur ist nun auch in Niedersachsen geplant - ein Friedhof für Mensch und Tier
Mit einer Silvesterrakete schießt der Ostberliner Alexander Kerner die Asche seiner verstorbenen Mutter gen Himmel und sinniert: Nun sieht sie auf uns hinab wie damals Sigmund Jähn, der erste DDR-Kosmonaut. Was 2003 in jener Szene aus dem Film »Good bye Lenin« noch als »verboten in Ost und West« bezeichnet wird, ist inzwischen auch in Deutschland legal zu haben, allerdings mit einer richtigen Rakete: die Weltraumbestattung. Sie zeigt besonders deutlich, wie sehr sich die Bestattungskultur gewandelt hat und weiter wandelt.
Urnenbegräbnisse in Wäldern, Bestattungen auf See oder das Pressen der Totenasche zu einem Diamanten: All dies wird mittlerweile ebenso angeboten wie das Verstreuen der Asche aus einem Heißluftballon. Das Verstreuen auf dafür zugelassenen Flächen ist erst seit 2015 erlaubt, und bislang nur in Bremen und Nordrhein-Westfalen. Dort, in Essen, und auch im rheinland-pfälzischen Braubach bei Koblenz hat ein Familienunternehmen aus Bonn im vergangenen Jahr die ersten Friedhofsflächen gepachtet, auf denen sich Menschen mit ihren Lieblingstieren ein Urnengrab teilen können. Das Procedere: Stirbt Terrier Titus oder Kater Karlo, lässt ihn der Besitzer im Tierkrematorium einäschern und nimmt die kleine Urne an sich. Stirbt der Tierfreund eines Tages selbst, wird seine Urne zusammen mit der des Tieres bestattet, sofern er das zuvor veranlasst hat.
Womöglich gibt es schon bald auch i Niedersachsen eine Ruhestätte für Zwei- und Vierbeiner: im 30 Kilometer nördlich von Hannover gelegenen Celle. Die SPD-Fraktion jener Stadt will die gemeinsame Bestattung auf kommunalen Friedhöfen ermöglichen. Die Verwaltung prüft zurzeit die rechtlichen Voraussetzungen dafür, entscheiden muss letztlich der Rat. Ob dessen Mehrheit zustimmt, muss abgewartet werden, sagt Ratsherr Jörg Rodenwaldt. Er hat den Friedhofs-Antrag eingebracht. Zwei Aspekte haben ihn dazu bewegt, erläutert der Kommunalpolitiker im Gespräch mit »nd«. Zum einen habe er darüber nachgedacht, wie sich neue Bestattungsformen positiv auf die Wirtschaftlichkeit der Friedhöfe auswirken können. Das sei nötig, denn: Größere Gräber würden kaum noch nachgefragt, manche Gemeinden müssten ihre Friedhöfe schon umwidmen und die Flächen anderweitig nutzen. Zum anderen dürfe man nicht die enge Bindung vieler Menschen zu ihrem Tier übersehen.
Oft besuche er Senioren an deren Geburtstagen, berichtet Rodenwaldt. Dann erlebe er manchmal, wie sehr ein Hund, eine Katze ältere Menschen vor Vereinsamung bewahren kann. »Und wenn dann ein solches Tier stirbt, nimmt das den Besitzer seelisch doch sehr mit«, weiß der Ratsherr.
Ob das auch alle »Seelsorger« wissen? Das Oberhaupt des evangelisch-lutherischen Kirchenkreises Celle, Superintendent Hans-Georg Sundermann, sagte der »Celleschen Zeitung« zum Thema Gemeinschaftsgrab: »Auf kirchlichen Friedhöfen kommt das nicht in Frage!« Und, so doziert der Talarträger: »Tiere mögen zwar Geschöpfe Gottes sein - sie sind aber keine Christen.«
Gnädiger als dieser Kirchenmann dachte der Pfarrersneffe Wilhelm Busch schon 1870, als er in einer seiner Bildergeschichten den verstorbenen heiligen Antonius nebst seinem treuen Hausschwein durchs Himmelstor treten lässt, wo den beiden aus höherer Sphäre zugerufen wird: »Willkommen! Gehet ein in Frieden / Hier wird kein Freund vom Freund geschieden.«
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