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Nazis sind nie witzig!
Warum rechte Satire nicht funktionieren kann
Der gesellschaftliche Brandbeschleuniger Akif Pirinçci kontert den Vorwürfen, seine Texte seien homophob, rassistisch und frauenfeindlich, mit dem Hinweis: Alles nur Satire. Ich darf das! Auch der von ihm auf der Pegida-Demo genutzte KZ-Vergleich sei »überspitzt und satirisch« gemeint gewesen, verteidigt sich der geschmähte Autor in einem Interview mit der rechten »Jungen Freiheit«. Der Nazi lacht, sonst aber niemand. Nicht einmal alle Pegida-Demonstranten fanden den KZ-Joke lustig. Konzentrationslager sind eben nicht witzig. Punkt.
Trotzdem versuchen es rechte Hetzer immer wieder. Dr. Alfred Pröbstl gehört zu den satirischen Shootingstars aus dem Pegida- und AfD-Umfeld. In seiner Online-Sendung denunziert er in »humoristischer« Manier Politiker, Flüchtlinge und sogenannte Gutmenschen. Seinen Youtube-Geburtstag feiert er ausgerechnet zur 88. Ausgabe der Sendung. »8« steht für den achten Buchstaben des Alphabets und »88« meint »Heil Hitler«.
Dr. Alfons Pröbstl ist auf Youtube ein charmanter älterer Herr im dunklen Anzug, mit Krawatte, Einstecktuch und rechter Gesinnung. Auf Youtube hat der Mann mit österreichischem Akzent eine fünfstellige Fangemeinde sogenannter Asylkritiker, Pegida-Anhänger und anderer Rechtsausleger um sich geschart. In seinen Sendungen wimmelt es von Behauptungen wie »70 Prozent der aus Afrika einreisenden Männer haben schon einmal eine Frau vergewaltigt«, Medien sind natürlich nur »Lügenpresse«, einzige Ausnahme ist die von ihm gelobte Rechtspostille »Junge Freiheit«. In der Rolle des Grantlers kommentiert er vermeintlich heiter distanziert das Weltgeschehen, Schwerpunkt Flüchtlinge. Im April 2015 folgte er einer Pegida-Einladung und trat auf einer ihrer Demos auf, wo er unter anderem zum Besten gab, dass Gegendemonstranten zehn Euro für ihre Anwesenheit bekommen, und Deutschland die Flüchtlinge bisher eine Billion (1.000.000.000.000.000) Euro kosteten. Zahlen sind sein Fetisch, so fabuliert er die wahren »Asylantenzahlen« auf täglich 20.000, was jährlich 7.300.000 Personen wären. Die rechte Szene findet den Mann scheinbar lustig, aber sonst lacht keiner. Warum eigentlich nicht?
Satire richtet sich gegen die Mächtigen
In seinem soeben erschienen Buch »Satire ist nur ein Affe im Hirn« stellt der Kabarettist Henning Venske fest: »Im Gegensatz zur realen Politik sind für die Satire die Reichen, die Mächtigen und die Hierarchen Ziel und Opfer. Geschriebene und gespielte Satiren richten sich von ›unten links‹ gegen ›oben rechts‹.« Womit er meint: gegen Regierung, Machtapparate, Freiheitsbeschränkungen. Deswegen habe es noch nie »ein funktionierendes ›rechtes‹ Kabarett gegeben«: Das findet nämlich in der breiten Bevölkerung kein Publikum. Auch ein »Regierungskabarett« hält er für undenkbar… Funktionierende Satire müsste also immer in der aufklärerischen Tradition von Dieter Hildebrandt und Co. stehen. Aber was ist dann mit genanntem Dr. Pröbstl?
Oder nehmen wir den mittlerweile verbotenen Nazitrupp »Besseres Hannover«, der ebenfalls versuchte witzig zu sein. In Youtube-Videos ist ein »Abschiebär« zu sehen, ein Mensch in einem Bärenkostüm, der vermeintliche Ausländer in Dönerläden besucht oder in Parks anspricht. Dabei wünscht er ihnen offenbar »Gute Heimreise«, tanzt fröhlich um sie herum und zeigt den Hitlergruß. Dem normalen Betrachter erschließt sich kein Witz. Vermutlich wird er nicht einmal verstehen, was der Quatsch soll. Rechte lachen darüber, die Nazi-Gruppe gehörte zum NPD-Umfeld. Gerichtlich ist mittlerweile entschieden: Das ist keine Satire.
Satire, die nach Schwächeren tritt, funktioniert nicht
Der Berliner Kulturwissenschaftler Klaus Cäsar Zehrer hat mit einer Dissertation zur »Dialektik der Satire« promoviert. Er versucht zu erklären, wie Satire funktioniert. Seiner Meinung nach tritt Satire nie nach Schwächeren, also nie nach unten. Da ist er sich mit dem Kabarettisten Venske einig. Wer nach unten tritt, erledigt das Geschäft der Mächtigen, ist also ihr Handlanger oder Propagandist. Mit Satire hat das dann nichts mehr zu tun.
In der Deutschen Nationalbibliothek hat er Wochen für seine Forschungen zugebracht. Er kramt eine Ausgabe des »Simplicissimus« aus den Tagen des Ersten Weltkrieges hervor: »In dieser Zeit wandelte sich die Satirezeitschrift vom kritischen Magazin zu einem Propagandablatt für den Krieg. Ab diesem Moment stand es auf der Seite der Macht.« Und dann funktioniert Satire nicht mehr, wenn aus überspitzter oder persiflierter Kritik Werbung für die Herrschenden wird.
Satire stellt die Machtverhältnisse infrage
Oliver Maria Schmitt, jahrelanger Chefredakteur der »Titanic« sagt: »Satire hat keine Macht, daher ist es ihr einziger Zweck, Macht und Machtverhältnisse infrage zu stellen.« Aber Dr. Alfred Pröbstl kritisiert ja die Mächtigen und ihre »Ausländerpolitik«. Ist er also ein rechter Satiriker in bester Tradition?
Ein genauer Blick zeigt, dass er und seine Zuhörer die Realität verdrehen. Obwohl demokratisch gewählt, haben die Herrschenden aus seiner Sicht (und der seiner ausländerfeindlichen Fangemeinde) das Volk entmachtet. Daraus folgt, dass die Volksvertreter immer gegen den Volkswillen handeln. Das entrechtete Volk muss sich nun gegen dieses Unrecht wehren. »Wir sind das Volk« meint »Wir sind die Macht!« Und: »Wir sind die Mehrheit und im Recht!« Ihre Sicht ist eine verschwörungstheoretische.
Innenminister »Die Misere« (Dr. Pröbstl) herrscht in diesem selbst zusammengezimmerten Weltbild in Einheit mit den Eliten gegen die vermeintliche Mehrheit der Bevölkerung, weshalb Dr. Pröbstl (und seine Zuschauer) nach ihrer Denkart dagegen jetzt Widerstand leisten müssen. »Jammert nicht, kämpft!« pöbelt der Grantler oberflächlich gegen »die da oben«, meint aber immer die Schwachen, Herumgestoßenen und Wehrlosen. Von grundsätzlicher Herrschaftskritik keine Spur. Das rechte Publikum jubelt ihm zu, seine Fans sind begeistert.
Satire ist befreiende Aufklärung
Klaus Cäsar Zehrer stellt in seiner Dissertation fest, dass Satire funktioniert, wenn die Botschaft den Empfänger mental erreicht. Das funktioniert in den genannten Fällen nur, weil das Weltbild passt. Nur wer denkt wie Dr. Pröbstl, versteht ihn, kann ihn überhaupt verstehen. Alle anderen dürften über sein Herumpöbeln kaum lachen können, ihnen erschließt sich der vermeintliche Humor erst gar nicht. Rechte Satire lebt von der Bestätigung von Vorteilen, nicht von befreiender Aufklärung.
Ein ähnliches Beispiel bieten die rechten Karikaturen von Götz Wiedenroth. Einen neutralen Betrachter werden sie sich vermutlich ebenfalls kaum erreichen. Er wird sie schlicht nicht verstehen. Vielleicht ahnt das der Zeichner schon, denn alle Bilder sind mit einer erklärenden Unterzeile versehen. »Ohne die kapiert ein ›normaler Mensch‹ den ›Witz‹ vermutlich auch gar nicht. Es bedarf nämlich einiger Vorurteile, um seine Bilder überhaupt interpretieren zu können«, unterstellt Dr. Klaus Cäsar Zehrer. Das bestätigt die These des Kulturwissenschaftlers, dass es für jedes Klientel auch die passenden Witze gibt.
Satire muss wahr sein
Doch rechte Satire ist noch aus einem anderen Grund keine, denn sie begeht einen Tabubruch: Sie sagt die Unwahrheit. Schon Tucholsky schrieb: »Die Satire muss übertreiben und ist ihrem tiefsten Wesen nach ungerecht. Sie bläst die Wahrheit auf, damit sie deutlicher wird.« Jesko Friedrich, Regisseur und Darsteller in der NDR-Satire-Sendung Extra 3 betont ebenfalls die Wichtigkeit der Wahrhaftigkeit für die Satire. »Hingegen wäre es aber unredlich, zum Beispiel eine statistische Zahlenangabe (Atommüllfässer in der Asse, getötete Zivilisten im Irak oder Ähnliches) kurzerhand zu verdoppeln, um etwa das Fehlverhalten der Verantwortlichen noch deutlicher herauszustellen. (…) Hier ist auch ironische Verfremdung, mit der Satire gerne arbeitet, keine Entschuldigung: Die Fakten, die ironisch oder in anderer verfremdeter Form präsentiert werden, müssen trotzdem wahr sein.«
Wir alle erinnern uns mit Grausen an den Fehler der Heute-Show Anfang 2015, als ein Interview mit einer Antifaschistin so zusammengeschnitten wurde, dass sie zur AfD-Frau mutierte… Moderator Oliver Welke entschuldigte sich anschließend öffentlich für diese Unwahrheit. Rechte Satire hingegen kümmert sich um Wahrheit nicht sonderlich. Dr. Alfred Pröbstl behauptet beispielsweise, dass Flüchtlinge offene TBC, Masern, Röteln und andere bereits ausgerottete Krankheiten nach Deutschland gebracht hätten. Das ist schlicht unwahr, in Deutschland sind weder Masern, noch Röteln, noch die offene TBC je ausgerottet gewesen. Auch seine Berechnungen von Flüchtlingszahlen und den Kosten sind frei erfunden, ebenso die staatliche Alimentation von Pegida-Gegendemonstranten. Die Beispiele ließen sich fortsetzen. Auch Götz Wiedenroth arbeitet mit solchen haltlosen Unterstellungen. Seine Bildersammlung »Antifaschismus. Kampf gegen rechts« lebt von der haltlosen Behauptung, dass alle Antifaschisten staatlich bezahlt sind.
Satire von rechts gibt es nicht
Deshalb muss die endgültige Antwort lauten: Satire von rechts gibt es nicht. Es gibt »lustig« verpackte Hetze von rechts, aber von Satire kann keine Rede sein. Und die Beweisführung geht sogar noch weiter: Dr. Alfred Pröbstl ist selbst eine Satire, gespielt von Percy Hoven. Das stellte sich überraschend vergangenes Jahr heraus. Seine Motive für diese Satire versteht kaum jemand. Die Kunstfigur sollte laut Hoven alleine der »Überspitzung des gesellschaftlichen und politischen Diskurses dienen.« Die Auftritte waren als »reine, wenn auch böse Satire« gedacht. »Ich distanziere mich ausdrücklich von dem Vorwurf der rechten Meinungsmache. Die Inhalte der Kunstfigur entsprechen in keinster Weise meiner persönlichen Überzeugung«, wie der Moderator der »Augsburger Allgemeinen« mitteilte. Man kann über die ganze Aktion nur den Kopf schütteln.
Aber man muss auch feststellen: Nicht einmal die satirische Darstellung eines rechten Satirikers funktioniert. So bleibt es dabei: Nazis sind eben einfach nie witzig.
Horst Schöppner ist Autor des Buches »Antifa heißt Angriff. Militanter Antifaschismus in den 80er Jahren«, das 2015 im Unrast-Verlag erschien.
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