21 Jahre Kunstgenuss in einer Todesfalle

Der Saal der modernen Lübecker Musikhalle ist seit Monaten wegen Einsturzgefahr gesperrt - doch wie nun weiter?

  • Dieter Hanisch, Lübeck
  • Lesedauer: 3 Min.
Ein gravierender Baufehler in der Statik blieb seit 1994 unerkannt: Der allseits hochgelobte Konzertsaal der Lübecker Musik- und Kongresshalle ist gesperrt. Nun wird über die Konsequenzen gestritten.

Eine mehr als zwei Jahrzehnte alte Bausünde kommt die Stadt Lübeck (Schleswig-Holstein) nun teuer zu stehen. Für Reparatur und Instandsetzung der 1994 eröffneten Musik- und Kongresshalle (MuK) auf der Wallhalbinsel werden nach Schätzung von Gutachtern mindestens 22,3 Millionen Euro benötigt. In der hoch verschuldeten Hansestadt weiß man noch nicht, wie die Summe für die seit September wegen eines gravierenden Statikfehlers teilgesperrte Halle aufgebracht werden soll. Insgeheim hofft man auf Landesmittel oder auf die zahlreichen Stiftungen in der Travestadt, die sich in der Vergangenheit in der Regel für kulturelle Aktivitäten spendabel zeigten.

Für besondere Aufregung sorgte jedoch die Tatsache, dass das ernste Statikproblem über 21 Jahre unentdeckt blieb. Denn wie sich herausstellte, hätte jederzeit die zwischen 15 und 17 Meter hohe Decke des knapp 2000 Plätze fassenden Saales herunterbrechen können, weil die Tragkraft der Aufhängungen über Gebühr strapaziert wurde. Statt der erlaubten 25 Kilogramm pro Quadratmeter hatten sie das dreifache Gewicht zu tragen.

Es ist bislang ein Rätsel, wie es seinerzeit bei der Bauabnahme vor der Eröffnung des Mehrzweckgebäudes geschehen konnte, dass dieser lebensgefährdende Mangel verborgen blieb. Und auch bei den periodischen Routineinspektionen in den Folgejahren ist seitens der Bauaufsicht nichts bemerkt worden.

Inzwischen hat die städtische Bauverwaltung eingeräumt, dass schon seit 2003 eine eigentlich jährlich anstehende Wartungsbegehung nicht mehr ordnungsgemäß stattgefunden habe. In die Instandhaltung der MuK floss somit pro Jahr immer nur ein kleiner sechsstelliger Eurobetrag. Das wiederum hat nun zusätzlich einen Sanierungsstau in Millionenhöhe verursacht.

Fakt ist jedenfalls, dass es in Sachen Deckenstatik mit Regressforderungen an den damals verantwortlichen Generalunternehmer und einzelne beteiligte Baufirmen wohl kaum etwas wird - wegen der Verjährung. Trotzdem wälzt man in Lübecks Baubehörde noch einmal akribisch die rund 500 Archivakten zur MuK. Beim parallel eingeschalteten Rechtsamt hat man dabei übrigens prompt festgestellt, dass dort gar nicht mehr alle MuK-Unterlagen vorliegen. Der Bau, einst für umgerechnet 50 Millionen Euro errichtet, würde heute wohl doppelt so viel kosten. Ein Abriss und Neubau der Halle wird daher nicht diskutiert. Die MuK-Beschäftigten fürchten dennoch um ihre Arbeitsplätze, auch wenn bislang das Wort Privatisierung nicht gefallen ist. Man hat daher eine PR- und Imagekampagne in eigener Sache gestartet, deren Ziel es ist, dass sich die Lübecker mit der MuK identifizieren.

Das Ganze geschieht vor dem Hintergrund steigender Defizite aus dem laufenden Betrieb, zu denen seit September die Folgen der Saalsperrung hinzukommen. Das renommierte Schleswig-Holstein Musik-Festival (SHMF), bisher Stammgast in der Lübecker MuK, wird nun die Gastspiele reduzieren, und auch Chinas Weltklasse-Pianist Lang Lang hat sein für Anfang Mai geplantes Konzert gestrichen. Etliche Musik-Acts können ins MuK-Foyer verlegt werden, das dann aber immer wegen der Akustik aufwendig »umgerüstet« werden muss und rund 500 Plätze als der Saal weniger fasst. Das jährliche Minus im operativen MuK-Geschäft wurde bisher vom Lübecker Haushalt aufgefangen.

Je nachdem, wie schnell das Finanzkonzept für die Komplettsanierung steht, kann zuerst das Deckenproblem beseitigt werden. Wunschtermin für die Fertigstellung ist der Sommer 2017, das wäre die übernächste SHMF-Spielzeit. Beobachter halten das für sehr ehrgeizig. Zunächst muss in der Lübecker Bürgerschaft gestritten werden, wie viel Geld ab wann und für was genau überhaupt bewilligt wird.

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