Sechs Stunden im »Grünen Schäflein«
Polen, die EU und eine frisch geschmiedete Achse Budapest-Warschau
»Lengyel, Magyar - ket Jo barat« ist ein aus dem 19. Jahrhundert stammendes Wort. Das bedeutet in der deutschen Übersetzung, dass der Pole und der Ungar zwei Cousins seien, was für den Degen und auch das Weinglas gelte. Die Spruchweisheit erhielt dieser Tage einen reaktionären Sinn.
Denn in Nidzica - einem historischen Ort im ehemaligen polnisch-ungarischen Grenzgebiet Spisz trafen sich der ungarische Premier Victor Orban und Jaroslaw Kaczynski, Chef der rechtskonservativen Partei »Recht und Gerechtigkeit« (PiS). Letzterer übt keine staatliche Funktion aus, ist aber derzeit der mächtigste Mann in Polen. Es war eine angeblich private Zusammenkunft zweier antieuropäischer Politiker. Sechs Stunden dauerte das Händchenhalten.
In polnischen Medien wurde noch zu Wochenbeginn darüber gerätselt wer wohl wen zu diesem Treffen eingeladen und worüber die zwei »Wächter über eine reduzierte Demokratie« in der Villa »Grünes Schäflein« am Fuße der alten ungarischen Burg miteinander palavert haben mögen. Beide Seiten hielten dicht.
Doch gewissen Aufschluss bot eine Erklärung des Gastes aus Budapest, Ungarn werde es nicht zulassen, dass Polen für seine Haltung zum Verfassungsgericht und wegen seines Mediengesetzes von der EU-Kommission bestraft werde. Für eine Verhängung von Sanktionen gebe es weder Gründe noch Möglichkeit. Die Entscheidung müsse schließlich einstimmig angenommen werden.
Kritik aus EU-Staaten wiesen polnische Politiker entschieden zurück. So wandte sich Präsidentenberater Marek Magierowski scharf gegen die Feststellung von EU-Parlamentspräsident Martin Schulz, der die rasanten Änderungen in Polens Wirklichkeit mit einer »gelenkten Demokratie nach Putins Art« gleichgesetzt hatte.
Doch der Wind schien sich etwas zu drehen. So war der deutsche Botschafter in Warschau, Rolf Nickel, zu Wochenbeginn laut allen staatlichen polnischen Medien erst ins Außenministerium »zitiert«, dann aber »eingeladen« worden. Nach 90 Minuten gab es dann sogar allseits freundliche Worte.
Die »Gazeta Wyborcza« begleitete dieses Ereignis allerdings mit dem Hinweis, einer Achse Budapest-Warschau stehe die Achse Deutschland-Frankreich gegenüber. Das Blatt zitierte aus einem Artikel in »Foreign Affairs«, wonach die EU im Streit um Demokratiedefizite keineswegs machtlos dastehe. Adam Smolar, Vorsitzender der von den USA ausgehaltenen Batory Stiftung für Demokratie schlug dieselbe Saite an. Die EU sei für die Demokratie diesseits des großen Wassers verantwortlich.
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