Kluft zwischen Arm und Reich wächst schneller

Oxfam: 62 reichste Menschen besitzen so viel wie die Hälfte der Weltbevölkerung / Grund: Unzureichende Besteuerung von großen Vermögen und Kapitalgewinnen sowie die Verschiebung von Gewinnen in Steueroasen

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Berlin. Soziale Ungleichheit nimmt weltweit zu: Die 62 reichsten Menschen besitzen so viel wie die Hälfte der Weltbevölkerung, wie die Hilfsorganisation Oxfam im Vorfeld des Weltwirtschaftsforums (WEF) in Davos berichtete. Gleichzeitig wuchs das Vermögen der 62 Reichsten binnen fünf Jahren um mehr als eine halbe Billion US-Dollar, während das Gesamtvermögen der ärmeren Hälfte der Weltbevölkerung um rund eine Billion Dollar zusammenschmolz.

Der Bundesgeschäftsführer der Linkspartei, Matthias Höhn, kritisierte, vor dem Hintergrund dieser Vermögensverteilung rede die Union «über Benzinabgabe». Wie wäre es mit «einer gerechten Vermögenssteuer?», fragte der Linkenpolitiker. Der Vorsitzende der Partei, Bernd Riexinger, forderte angesichts der Oxfam-Zahlen: «Reichtum besteuern, Steueroasen austrocknen!»

Die Geschwindigkeit, mit der die Kluft zwischen Arm und Reich wächst, ist nach Angaben der Hilfsorganisation noch größer als erwartet. Vor einem Jahr prognostizierte Oxfam, im Jahr 2016 werde das reichste Prozent der Weltbevölkerung - das sind rund 70 Millionen Menschen - mehr besitzen als die restlichen 99 Prozent (sieben Milliarden Menschen) zusammen. Tatsächlich wurde diese Schwelle bereits 2015 erreicht, ein Jahr früher als erwartet. Dem am Montag in Berlin veröffentlichten Oxfam-Bericht zufolge droht soziale Ungleichheit die Fortschritte bei der Armutsbekämpfung zunichte zu machen.

Das Vermögen der 62 Reichsten - unter ihnen 53 Männer - sei allein in den letzten fünf Jahren um 44 Prozent auf 1,76 Billionen Dollar (1,61 Billionen Euro) gewachsen. Zugleich habe sich das Gesamtvermögen der ärmeren Hälfte der Weltbevölkerung um rund eine Billion US-Dollar verringert. Einen Rückgang um 41 Prozent - obwohl im selben Zeitraum die Weltbevölkerung um 400 Millionen Menschen gewachsen sei - erklärt die Organisation in ihrem Bericht zur sozialen Entwicklung, den sie stets zum Start der Jahrestagung des Weltwirtschaftsforums vorlegt.

Ein Grund für die Entwicklung sei die unzureichende Besteuerung von großen Vermögen und Kapitalgewinnen sowie die Verschiebung von Gewinnen in Steueroasen, erklärte Oxfam. Investitionen von Unternehmen in Steuerparadiesen haben sich zwischen 2000 und 2014 demnach vervierfacht. Neun von zehn der weltweit führenden Großunternehmen haben Oxfam zufolge Präsenzen in mindestens einer Steueroase. Entwicklungsländern gingen auf diese Weise jedes Jahr mindestens 100 Milliarden Dollar an Steuereinnahmen verloren.

Die Entwicklungsorganisation fordert daher, das Geschäftsmodell der Steueroasen zu beenden und große Vermögen stärker zu besteuern. Konzerne dürften sich nicht länger aus ihrer Verantwortung stehlen. «Sie müssen ihre Gewinne dort versteuern, wo sie sie erwirtschaften», erklärte Oxfam-Experte Tobias Hauschild. Statt Konsum steuerlich stärker zu belasten, müssten zudem große Vermögen, Kapitalgewinne und hohe Einkommen deutlich stärker besteuert werden.

Das unternehmensnahe Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) in Köln relativierte derweil die zentrale Botschaft der Oxfam-Studie zur weltweiten Vermögensverteilung. Nur weil mehr Steuern eingetrieben werden, bedeute das nicht automatisch auch, dass die Armen von den Mehreinnahmen profitieren, sagte IW-Expertin Judith Niehues dem «Tagesspiegel». «Armut lässt sich nicht rein über die Einnahmenseite bekämpfen». Wichtiger seien Investitionen in Bildung und ein leichterer Zugang zum Arbeitsmarkt.

Für die Parteivorsitzende der LINKE, Katja Kipping, unterstreicht die Untersuchung Notwendigkeit von Umverteilung, zum Beispiel mithilfe einer Vermögenssteuer: Angesichts des Ergebnisses, dass 62 Menschen so viel besitzen wie die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung stellen sich die rhetorische Frage, «wie viel mehr diese 62 geleistet haben, zum Beispiel im Vergleich zu einer Krankenschwester?»

Für Sahra Wagenknecht, Fraktionsvorsitzende der LINKE im Bundestag ist diese Vermögenskonzentration auch auf Staatsversagen zurückzuführen: «»Die Bundesregierung zerstört endgültig die Demokratie, wenn sie weiterhin untätig der immer absurder werdenden Vermögenskonzentration zuschaut.« Auch die Politik von CDU/CSU, SPD, FDP und Grünen sei dafür mitverantwortlich, dass inzwischen ein Prozent der Weltbevölkerung so viel Vermögen hab wie der Rest der Menschheit, sagte Wagenknecht und wiederholte die Forderung der LINKE, für Vermögen ab einer Million Euro eine Vermögenssteuer wieder einzuführen. Agenturen/nd

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