Sprung übers Mittelmeer

Verteidigungsministerin hält Libyen-Einsatz der Bundeswehr für möglich

  • René Heilig
  • Lesedauer: 4 Min.
Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) warnt vor einer neuen »Achse des Terrors« in Afrika und schloss einen Bundeswehr-Einsatz zur Stabilisierung Libyens nicht aus. Und sie brach auch noch ein zweites Tabu.

Seit Wochenbeginn hält Ursula von der Leyen eine Beteiligung der Bundeswehr an einem militärischen Libyen-Einsatz für möglich. »Deutschland wird sich nicht der Verantwortung entziehen können, dabei einen Beitrag zu leisten«, sagte sie der »Bild«-Zeitung. Die Formulierung »nicht entziehen können« deutet schon darauf hin, dass man den Weg übers Mittelmeer nicht unter wehenden Fahnen antritt. Man sieht sich genötigt durch das Vordringen der IS-Extremisten in Libyen auf der einen Seite und durch den Druck, den die USA auf die europäischen NATO-Partner ausüben, auf der anderen. Die USA fordern immer deutlicher mehr militärisches Engagement, in Großbritannien wird seit einiger Zeit sogar über den Einsatz von Elitetruppen auf libyschem Boden debattiert. So weit will man in Berlin nicht gehen. Die Frage ist, ob es Haltelinien geben wird.

Noch bis Mitte vergangener Woche schüttelte man in von der Leyens ministerieller Umgeben den Kopf: Mit Libyen machen wir nichts, hieß es. Mit wem auch?! Die Lage sei zu unübersichtlich, man habe dort keinen verlässlichen Partner. Dann trat am Mittwochnachmittag die Kanzlerin im Verteidigungsausschuss des Parlaments auf und man ahnte, der Meinungsumschwung ist nahe.

Das Wichtigste sei derzeit, Libyen zu stabilisieren und dafür zu sorgen, dass das Land eine funktionsfähige Regierung bekomme, meint von der Leyen. Sie denkt offenbar an eine Mission nach dem Muster der Peschmerga-Ausbildung in Nord-Irak, an der die Bundeswehr einen großen Anteil hat. So etwas könnte an der Grenze zu Libyen im Nachbarstaat Tunesien stattfinden, sagen Experten. Bis zu 150 deutsche Soldaten könnten daran beteiligt sein. Ob man – wie in Nordirak - dafür Waffen und Gerät liefern wird, ist unklar.

Die libysche Regierung – von der Leyen ignoriert, dass es derzeit zwei gibt, die sich trotz internationaler Vermittlung bislang nicht einigen wollen – werde »schnell Hilfe benötigen, um Recht und Ordnung in diesem riesigen Staat durchzusetzen und gleichzeitig gegen den Islamisten-Terror zu kämpfen, der auch Libyen bedroht«. Sollten die Terrorgruppen des Islamischer Staates und die radikale Islamistengruppen von Boko Haram eine Verbindung eingehen, wäre das »eine brandgefährliche Entwicklung«, sagt von der Leyen zutreffend »Wenn das gelingt, dann entsteht eine ›Achse des Terrors‹, die weite Teile Afrikas destabilisieren kann. Die Folge wären neue Flüchtlingsströme, das dürfen wir nicht zulassen.« Gerade hat der Bundestag eine Aufstockung des Bundeswehrkontingentes für den UN-Einsatz in Mali beschlossen, der auch im Verteidigungsministerium als »sehr gefährlich« betrachtet wird.

Parallel zum Libyen-Einsatz brach die Ministerin ein zweites Tabu. Bislang hatte man sich mit guten Argumenten - aber auch allerlei Tricks - einer von der NATO allgemein verlangten Aufstockung des Rüstungsetats auf zwei Prozent der jeweiligen Bruttosozialprodukte widersetzt. Das würde mehr als eine Verdopplung der aktuellen deutschen Ausgaben nach sich ziehen. Nun sprach sich von der Leyen immerhin für eine deutliche Aufstockung des Wehretats aus. »Die Bundeswehr ist in zahlreichen Einsätzen weltweit gefordert. Wenn wir all das von unserer Bundeswehr verlangen, müssen wir in Personal wie in moderne, sichere Ausrüstung investieren. Das werde ich dem Bundesfinanzminister wohlbegründet darlegen«, betonte die Ministerin. Intern bekannt wurde auch, dass man bis Anfang März auch ein neues Personalkonzept samt neuen Plänen für die Nachwuchsgewinnung vorlegen will. Trotz einer aus Sicht des Ministeriums guten Entwicklung gebe es insbesondere im Mannschaftsbereich noch Lücken.

»Ministerin von der Leyen kündigt die Absicht zur Entsendung der Bundeswehr an, bevor überhaupt klar ist, welche der Kriegsparteien in Libyen damit unterstützt werden soll«, kritisiert Christine Buchholz von der Bundestags-Linksfraktion. Im Wochentakt würden neue Militärmissionen oder die Aufstockung bestehender Einsätze beschlossen. Dies zeige, wie sehr militaristische Reflexe die Außenpolitik dieser Bundesregierung beherrschen. Dafür darf es kein Geld geben, sagte die friedenspolitische Sprecherin der Linksfraktion gegenüber »nd«. Auch der Rüstungsexperte der Grünen-Fraktion, Tobias Lindner, warnte: »Ich kann nicht erkennen, wie man durch mehr Geld im Verteidigungsetat die Probleme der Bundeswehr löst. Was man jetzt braucht, ist eine vernünftige Auftrags- und Aufgaben-Analyse. Dann muss man sehen, wie viel Material und Personal man braucht.«

- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.