Kein Spaziergang für Pogida
Ein großes Polizeiaufgebot hielt diesmal Anhänger und Gegner in Potsdam auseinander
»Brandenburg braucht alles - aber keinen Rechtsextremismus. Das, liebe Freunde, werden wir nicht zulassen. Danke, dass ihr hier seid.« Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) ließ es sich nicht nehmen, selbst zu den Gegendemonstranten zu sprechen, die sich am Mittwochabend dem zweiten Podida-Aufmarsch, dem noch jungen Potsdamer Ableger der Dresdner Pegida-Bewegung, entgegengestellt hatten.
Auf dem Bassinplatz der Landeshauptstadt waren etwa 1500 Menschen zusammengekommen, und wie Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) sagte, werde es den kreativen Widerstand gegen Ausländerfeindlichkeit so lange geben, wie die Träger dieser Gesinnung in Potsdam versuchen, sich die Straße zu erkämpfen. »Ich bin stolz auf meine Heimatstadt Potsdam«, rief der CDU-Landtagsabgeordnete Steeven Bretz ins Mikrofon. Er zitierte den AfD-Fraktionschef Alexander Gauland, der am Morgen im Landtag die Asylbewerberheime »Brutstätten der Gewalt« genannt hatte. So würden sich »Brandstifter« äußern, sagte Bretz.
Rund 250 Pogida-Anhänger hatten sich an der dunklen nördlichen Seite des Bassinplatzes versammelt, durch ein riesiges Polizeiaufgebot und ein am späten Nachmittag errichtetes Doppelgitter von der Gegendemonstration abgeschirmt. Mehr als 1000 Polizisten waren im Einsatz. Gegenseitige Beschimpfungen gingen in Pfeifkonzerten und Böllerknallerei über. Angesichts der aufgeheizten Stimmung folgte der Pogida-Anmelder dem Ratschlag der Polizei und gab die Auflösung seines Marsches durch Potsdam bekannt, bevor dieser überhaupt stattfinden konnte. Einige Pogida-Anhänger indessen wollten sich später den Weg doch noch erzwingen, was zu Gerangel mit der Polizei auf beiden Seiten der Veranstaltung bis in die Friedrich-Ebert-Straße führte.
Der Bassinplatz war an den Rändern stark ausgeleuchtet. Drohend standen zwei Wasserwerfer der Hamburger Polizei sowie Hundestaffeln bereit, wurden aber nicht eingesetzt. Im Unterschied zur ersten Pogida-Veranstaltung am 11. Januar gelang es dem Polizeiaufgebot, die Kontrahenten auseinanderzuhalten. Auf der Bühne der Gegendemo wurde getrommelt, gesungen und getanzt, und es erklangen Kirchenlieder. Die Feuerwehr spendierte Tee, denn die Polizei hatte ein Alkohol- und Glasflaschenverbot durchgesetzt. Viele Potsdamer, zahlreiche Schüler sowie Eltern mit ihren Kindern, ließen sich einfach unterhalten. Zehn Tage zuvor hatten die Proteste und Gegenproteste zu Randale, Sachbeschädigungen und Verletzten geführt.
Nach dem Veranstaltungsende - die meisten Teilnehmer gingen friedlich auseinander - kam es auf der Humboldtbrücke zwischen abmarschierenden Pogida-Anhängern und linken Demonstranten zu körperlichen Auseinandersetzungen. Auch die Lange Brücke musste kurzzeitig gesperrt werden. Auf dem Bassinplatz waren 50 Pogida-Demonstranten eingekesselt worden und wurden nach Stunden von der Polizei zum Hauptbahnhof begleitet.
Die Potsdamer Antifasprecherin Alyssa Schmidt gab später bekannt, dass die Polizei nicht in der Lage gewesen sei, »den rassistischen Aufmarsch durchzusetzen«. Das führte sie auf die Entschlossenheit der Antifaschisten zurück, und sie kündigte weiterhin »offensiven Antifaschismus« an. Schmidt beklagte, dass einige Gegendemonstranten »schwere Verletzungen durch vollkommen unverhältnismäßige Polizeigewalt« erlitten hätten. Die Polizei dagegen sprach von zwei verletzten Beamten und vier vorläufigen Festnahmen.
Als Pogida-Anänger am Ende »Wir kommen wieder« riefen, ernteten sie ein höhnisches »Auf Wiedersehen«. Für kommenden Mittwoch haben beide Seiten in Potsdam wiederum Demonstrationen angemeldet.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.