»Der wichtigste Strohhalm fürs Ruhrgebiet«

Duisburgs Hafen gilt als Jobmaschine für die kriselnde Industrieregion Ruhrgebiet - jetzt steht ein Jubiläum an

  • Rolf Schraa, Duisburg
  • Lesedauer: 3 Min.
Viele Unternehmen an der Ruhr bauen ab oder schließen - zuletzt Opel in Bochum. Der verkehrsgünstig gelegene Duisburger Hafen wächst dagegen seit Jahren. Das Erfolgsrezept: »integrierte Logistik«.

Als unbefestigter Ankerplatz wurde der Duisburger Hafen vor 300 Jahren gegründet, heute türmen sich am Zusammenfluss von Rhein und Ruhr die Seecontainer. Globale Logistik-Konzerne wie Kühne & Nagel oder Schenker haben am Hafen riesige Hallen. Jeden Tag fährt ein Zug mit Autoteilen nach China ab. Der Hafen in Nordrhein-Westfalen hat sich zu einem Jobmotor für eine kriselnde Industrieregion entwickelt. »Wir sind im Augenblick der wichtigste Strohhalm fürs Ruhrgebiet«, sagt Hafenchef Erich Staake. Dieses Jahr feiert der Hafen Jubiläum.

In den Glanzzeiten des Reviers bis Ende der 1950er Jahre hatten Kohle und Stahl noch den Herzschlag des bundesdeutschen Wirtschaftswunders bestimmt - und der Duisburger Hafen war die Aorta: Millionen Tonnen an Erzen und Kohle für die Hochöfen und Fabriken des Reviers wurden ein- und ausgeladen. Als diese Zeit, in der Duisburg sich als reichste Stadt Deutschlands bezeichnete, zu Ende war, musste auch der bisher auf schlichten Güterumschlag ausgerichtete Hafen einen neuen Weg finden.

Das ist geglückt - wie sich am deutlichsten am Hafenteil Logport 1 in Duisburg Rheinhausen beweisen lässt. Hier produzierte 100 Jahre lang ein Krupp-Stahlwerk, dessen Schließung Anfang der 1990er Jahre zu heftigen Arbeiterprotesten führte. 1993 kam das endgültige Aus für das Werk, zuletzt waren rund 2500 Stahlkocher beschäftigt.

Jahrelang standen die Reste der Anlage auf dem über 260 Hektar großen Gelände leer. Dann begann die Hafengesellschaft gegen viele skeptische Stimmen und mit Hilfe von Staatsgeld mit dem Abriss der Industrieruinen und der Erschließung des Geländes. Heute arbeiten in Rheinhausen drei Containerterminals, die Anlage hat Bahnanschluss. Die Autobahn führt nahe am Hafen vorbei. Global tätige Speditionsunternehmen, darunter ein großer japanischer Konzern, und Großunternehmen wie etwa Siemens nutzen das Gelände. Seit Anfang 2014 ist das Areal in Rheinhausen wieder komplett vermarktet. Beschäftigt werden rund 4000 Mitarbeiter - viel mehr als zum Ende der Krupp-Ära.

Der Hafen ist auch dank seiner verkehrsgünstigen Lage zu einem wichtigen Arbeitgeber geworden - mit knapp 1100 direkt Beschäftigten (einschließlich befristeter Stellen) und einer starken Sogwirkung für Zulieferer: Seit 2011 hat sich die Zahl der hafenabhängigen Jobs um zwölf Prozent auf 45 300 erhöht, belegte Ende 2015 eine Studie - das ist jede achte Stelle in der Industriestadt.

Jahr für Jahr wachsen Umsatz, Gewinn und Beschäftigtenzahlen des Hafens. Das Erfolgsrezept des Hafenchefs lautet »integrierte Logistik«: Die Hafengesellschaft nimmt den Kunden möglichst viel Arbeit ab. Zum Beispiel bei Audi: Seit 2013 werden Audi-Autoteile direkt an den Werken Ingolstadt und Neckarsulm abgeholt, in der richtigen Konfiguration in Duisburg in Container gepackt, nach Antwerpen gebracht und dort in Schiffe nach Indien, China, Brasilien und Mexiko eingeladen - eine ganze Transportkette in einer Hand. Dafür habe Audi auch einen im Vergleich zur Konkurrenz höheren Preis akzeptiert, sagt Staake.

Natürlich ist Logistik nicht das einzige Zugpferd für den Strukturwandel im Ruhrgebiet, wie der Sozialwissenschaftler Jörg Bogumil betont. Vor allem Technologiezentren rund um Hochschulen wie etwa in Dortmund schaffen viele qualifizierte Jobs. Und der Duisburger Hafen steht in NRW auch nicht ohne Konkurrenz da: Das Unternehmen »RheinCargo« - der Zusammenschluss der Häfen Neuss, Köln und Düsseldorf - etwa jagt den Duisburgern manchen Auftrag ab.

Mit einem Güterumschlag von rund 65 Millionen Tonnen oder 3,4 Millionen Standardcontainern sind die Duisburger aber klar Nummer Eins unter den Binnenhäfen in Europa. Da große freie Flächen langsam knapp werden, plant Staake jetzt schon die weitere Expansion nach Oberhausen, Kamp-Lintford am Niederrhein und neuerdings nach Marl: Dort hat zu Jahresbeginn die Traditionszeche Auguste Victoria mit einem Riesengelände und Hafenanschluss die Förderung eingestellt. dpa/nd

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