»Keine Lehrer zweiter Klasse«
Die GEW fordert Landestarifvertrag für alle Lehrkräfte
»Es darf keine Lehrer zweiter Klasse geben«, sagt Patrick Seiler, Lehrkraft an der Lichtenberger Hein-Moeller-Oberschule, am Dienstagmorgen vor der Senatsverwaltung für Finanzen. »Die Konkurrenz zwischen verbeamteten und angestellten Lehrern nimmt zu. Die Kollegen leisten genau die selbe Arbeit und sollten auch genauso bezahlt werden«, warnt Seiler, ist dabei aber kaum zu verstehen. Die Sambagruppe der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) sowie die zahlreich mitgebrachten Rasseln und Trillerpfeifen übertönen die meisten Gespräche der rund 400 Lehrer, die sich auf der Kundgebung in der Klosterstraße versammelt haben.
Die GEW hatte zuvor in ausgewählten Schulen zu einem ersten Warnstreik aufgerufen, nachdem der Senat Verhandlungen über einen Landestarifvertrag zur Eingruppierung von angestellten Lehrkräften abgelehnt hatte. Die Gewerkschaft fordert, dass angestellte Pädagogen - mittlerweile 40 Prozent aller Berliner Lehrkräfte - genauso viel verdienen, wie ihre verbeamteten Kollegen. Lehrer mit voller Ausbildung sollen unabhängig der Schulform in die Entgeltgruppe 13 eingruppiert werden. Auch Mitarbeiter, die ohne volle Ausbildung mindestens zwei Jahre entsprechend gearbeitet haben, sollen davon profitieren.
In der Praxis ergeben sich durch die bisherige Behandlung große Unterschiede: Laut der Berliner GEW-Vorsitzenden Doreen Siebernik können Beamte in der gleichen Lebensarbeitszeit 100 000 bis 140 000 Euro mehr verdienen als die angestellten Lehrer. »Es entsteht der Eindruck, dass den Berliner Lehrkräften Respekt vorenthalten wird. Und das, obwohl die Arbeitsbedingungen in den letzten Jahren immer schlechter geworden sind«, sagt Siebernik. Die an der Charlottenburger Paula-Fürst-Gemeinschaftsschule arbeitende Katja Hesse stimmt ihr zu: »Grabenkämpfe innerhalb der Schule sind so vorprogrammiert.«
»Wir wollen eine Gleichberechtigung«, bestätigt der ebenfalls an der Paula-Fürst-Schule tätige Rene Meier. »Wir Angestellten haben zahlreiche Nachteile, beispielsweise durch die fehlende Beihilfe, die nur Beamte bekommen.Wenn mein Kind krank ist, muss ich Sonderurlaub beantragen oder muss sagen, dass ich selbst krank bin«, sagt Meier.
Unterstützung bekommen die streikenden Lehrer auch von einigen Schülern. »Wir haben hier schon einige unserer Lehrer getroffen«, sagt der 20-jährige Florian Ledermann. Mit zwei weiteren Schülern der Charlottenburger Anna-Freud-Oberschule hält er ein Transparent in der Hand, auf dem sich mit dem Streik der Lehrer solidarisiert wird. »Die Ungleichbehandlung geht auch zu Lasten der Schüler«, sagt Ledermann. »Das Prinzip ›gleicher Lohn für gleiche Arbeit‹ wird angegriffen. Das können wir nicht dulden«, sagt er weiter.
Verhandlungen über die Forderungen der GEW hatte Berlins Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD) bisher abgelehnt. Tarifverhandlungen seien nur bundesweit über die Tarifgemeinschaft der Länder möglich, »so dass Alleingänge einzelner Länder nicht in Frage kommen.« Die Forderungen der GEW könnten »zum Austritt oder zum Ausschluss« aus der Tarifgemeinschaft führen, teilte Kollatz-Ahnen mit. Tarifverhandlungen auf Bundesebene waren im März 2015 gescheitert. Nur der Deutsche Beamtenbund stimmte den Angeboten der Innenminister zu, die Bundesvertretung der GEW lehnte sie als unzureichend ab. Laut der Gewerkschaft steht damit der Senat in der Verantwortung.
Die GEW-Vorsitzende Siebernik zeigt sich kämpferisch: »Sobald der Finanzsenator mit uns in ernsthafte Verhandlungen tritt, sind weitere Streiks vom Tisch. Andernfalls werden wir unseren Arbeitskampf jedoch ausweiten.«
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