Behörde: Fall von totem Flüchtling nirgendwo bestätigt
Vorwurf von Bündnis »Moabit hilft«: 24-Jähriger nach tagelangem Warten in der Kälte gestorben / Polizei, Feuerwehr und Sozialsenator: Haben keine Hinweise
Berlin. Die katastrophalen Umstände für Geflüchtete vor dem Berliner Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) haben womöglich ein erstes Todesopfer gefordert. Ein 24 Jahre alter Flüchtling in Berlin ist nach Angaben des Bündnisses »Moabit hilft« in der Nacht zum Mittwoch gestorben. Das bestätigte die Sprecherin der Willkommensinitiative, Diana Henniges, dem »neuen deutschland«. Zuvor habe der Mann tagelang vor dem LAGeSo angestanden. Ein Helfer habe den stark fiebernden Mann am Dienstagabend zu sich nach Hause genommen, so die Sprecherin des Bündnisses. Wegen seines schlechten Zustandes sei der Mann von einem Krankenwagen abgeholt worden. Auf dem Weg habe er einen Herzstillstand erlitten - im Krankenhaus habe nur noch der Tod festgestellt werden können. Damit bestätigte sich auch eine frühere Meldung einer ehrenamtlichen Mitarbeiterin.
Bei der Berliner Polizei war am Mittwochmorgen zunächst nichts bekannt, was die Darstellung in den sozialen Netzwerken stützen würde. »Obwohl wir eigentlich nicht zuständig sind, schauen wir, was es da gibt«, erklärte ein Polizeisprecher dem »neuen deutschland«. Bis zum Mittag gab keine weiteren Erkenntnisse. »Wir haben bisher keinen Leichnam. Wir prüfen das, was in den sozialen Medien berichtet wird«, sagte die Pressesprecherin Kerstin Ziesmer gegenüber dem »nd«.
Auch bei der Berliner Feuerwehr ist ein solcher Einsatz bislang nicht bekannt geworden. »Wir suchen den Einsatz, keiner kann ihn bisher finden«, sagte ein Sprecher dem »nd«. Da die Berliner Feuerwehr rund 1400 Einsätze in der Hauptstadt fährt, ist die Suche nicht einfach, am LAGeSo selbst hatten es in den vergangenen Tagen mehrere Noteinsätze gegeben. »Wir haben in unserem System alle Einsätze von ungefähr halb eins bis drei Uhr durchgeschaut und nichts gefunden«, sagte der Pressesprecher der Berliner Feuerwehr, Björn Radünz, am Vormittag. Wenn eine genaue Adresse sowie eine genaue Uhrzeit der Feuerwehr mitgeteilt werden würde, könne auch genauer nach dem möglichen Einsatz gesucht werden, heißt es. Die Frau, welche die Nachricht des vermutlichen Todes in sozialen Medien veröffentlichte, habe sich zudem noch nicht bei der Feuerwehr gemeldet. Unklar sei unter anderem, wo der Flüchtling in ein Rettungsfahrzeutg aufgenommen worden sein soll, so der Feuerwehrsprecher.
Auch die für das LAGeSo zuständige Senatsverwaltung von Sozialsenator Mario Czaja (CDU) konnte den Todesfall zunächst nicht bestätigen: »Wir können nicht bestätigen, dass ein 24-jähriger Syrer gestorben ist«, sagte Sascha Langenbach, Pressesprecher der Senatsverwaltung, gegenüber dem »nd«. Die Mitarbeiter der Senatsverwaltung hätten für die zurückliegenden 24 Stunden alle »39 Aufnahmekrankenhäuser, sämtliche Kliniken sowie private Rettungsdienste« ohne Ergebnis abtelefoniert. »In den ersten Stunden gab es nur wenig Anhaltspunkte. Viele Mitarbeiter haben versucht die Informationen zu überprüfen, und dass nicht nur hier«, sagte Langenbach. »Wir versuchen weiterhin die Angaben zu verifizieren.«
Im Sozialen Netzwerk Facebook hatte es zuvor bei einer ehrenamtlichen Helferin geheißen, »soeben ist ein 24-jähriger Syrer, der tagelang am Lageso bei Minusgraden im Schneematsch angestanden hat, nach Fieber, Schüttelfrost, dann Herzstillstand im Krankenwagen, dann in der Notaufnahme - verstorben«. Laut RBB beklagen die Helfer, es gebe zu wenig Wärmezelte vor dem Lageso. Immer wieder gibt es schwere Vorwürfe wegen der Zustände vor dem Amt. Zuletzt hatten Meldungen über hungernde Flüchtlinge für Schlagzeilen gesorgt.
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