Thüringens Klopapier-Cop tritt ab

  • Sebastian Haak, Erfurt
  • Lesedauer: 3 Min.
Rot-Rot-Grün hat einen Top-Posten in Thüringens Sicherheitsarchitektur ungewöhnlich besetzt: An die LKA-Spitze rückt ein Jurist. In Polizeikreisen ist man davon nicht begeistert.

Unumstritten war Werner Jakstat eigentlich nie. Als er 2010 kam, um das Thüringer Landeskriminalamt (LKA) zu führen, waren nicht wenige Thüringer Polizisten sauer, dass ein ursprünglich bayerischer Polizist und nicht sie den Job bekommen hatten. Zuletzt machte Jakstat Schlagzeilen, weil ihm aus den eigenen Reihen 2013 vorgeworfen worden war, die Ermittlungen zur Terrorzelle NSU vor Jahren gezielt behindert zu haben. Und dazwischen gab es noch diese Geschichte mit dem Klopapier. Nun löst Innenminister Holger Poppenhäger den Präsidenten des LKA ab - und ein bisschen wiederholt sich die Geschichte: Der Mann, den der Sozialdemokrat als Nachfolger Jakstats präsentiert, ist auch nicht unumstritten.

Die Entscheidung, Jakstat abzulösen und durch Frank-Michael Schwarz zu ersetzen, gab Poppenhäger am Dienstag in Erfurt bekannt. Ab 1. Februar soll Schwarz als Präsident einer der wichtigsten Polizeibehörden des Freistaats vorstehen. Jakstat, so heißt es aus Polizeikreisen, soll aus Gesundheitsgründen selbst um seine Ablösung gebeten haben.

Mit der Personalie Schwarz besetzt Rot-Rot-Grün nach dem Chefposten beim Thüringer Verfassungsschutz nun auch den Chefposten des LKA mit einem Mann, dessen beruflicher Weg bislang alles andere als zwangsläufig auf diesen Job zulief. Schwarz ist nämlich kein gelernter Polizist, sondern Jurist. Viele Jahre arbeitete er als Staatsanwalt, ehe man im Thüringer Justizministerium für ihn Verwendung fand. Ab April 2012 war er dort Vize-Chef der Abteilung Justizvollzug und Straffälligenhilfe. Beim Verfassungsschutz hatte mit Stephan Kramer kürzlich ein Sozialpädagoge die Leitung übernommen.

Dass Schwarz alles andere als ein Polizeipraktiker ist, macht nun nicht nur den CDU-Innenpolitiker Wolfgang Fiedler skeptisch, ob Schwarz wirklich der Richtige an der Spitze des LKA ist. Auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP) kritisierte die Entscheidung am Mittwoch. Zum wiederholten Mal sei bei der Besetzung einer Spitzenposition bei der Polizei kein Thüringer Polizeibeamter zum Zuge gekommen, teilte die Gewerkschaft in Erfurt mit.

Fiedler sagt: »Ich habe meine Bedenken.« Zwar wolle er über Schwarz nicht abschließend urteilen, weil er ihn dafür nicht gut genug kenne. Doch die Grundsatzentscheidung Poppenhägers sei einfach falsch. An die Spitze des LKA gehöre ein Polizist. Zudem stört sich Fiedler daran, dass er als Innenpolitiker der größten Oppositionsfraktion im Landtag aus der Presse erfahren habe, dass Jakstat abgelöst wird. Rot-Rot-Grün betreibe eine Personalpolitik, bei der es nur darum gehe, die eigenen Leute in Schlüsselpositionen zu hieven: Anders sei es doch gar nicht zu erklären, dass der heutige Innen- und ehemalige Justizminister Poppenhäger einen Staatsanwalt aus seinem ehemaligen Ressort in den LKA-Präsidentensessel setze.

Dass sich auch gelernte Polizisten an der Spitze eines LKA so richtig blamieren können, das hat gerade die Toilettenpapier-Geschichte von Jakstat gezeigt: Nachdem im LKA größere Mengen Toilettenpapier verschwunden waren, ließ Jakstat über Monate hinweg in den eigenen Reihen nach dem Dieb fahnden - und nach dem, der darüber mit Journalisten gesprochen hatte. Moderneste LKA-Technik kam dabei zum Einsatz sowie der Verfassungsschutz. Gefasst wurden der Langfinger oder die Quelle nie.

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