Angeblich Todesfall am LAGeSo

Geflüchteter soll mit Fieber und Schüttelfrost gestorben sein - Belege gibt es bisher keine

  • Sebastian Bähr und 
Martin Kröger
  • Lesedauer: 3 Min.
Ein Flüchtling soll nach langem Warten am Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) einen Herzinfarkt bekommen haben. Ob der Fall sich wirklich ereignete, blieb am Mittwoch unbestätigt.

Ein ehrenamtlicher Helfer zündet am Mittwochnachmittag auf dem Gelände des Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) Kerzen an. Um ihn herum herrscht Aufregung: Zahlreiche Journalisten bauen ihre Kameras auf und sprechen hektisch in ihre Telefone, die ehrenamtlichen Mitarbeiter der Flüchtlingsinitiative »Moabit hilft« versuchen derweil trotz der vielen Pressenanfragen ihrer Arbeit nachzugehen. Aufgrund des Medienauflaufs unsicher wirkende Geflüchtete trinken in einem Zelt dicht aneinandergedrängt Tee. »Die Situation hier ist schlecht. Ich warte seit sechs Tagen und Nächten auf meinen Termin. Sollte die Geschichte mit dem Tod des Mannes stimmen, macht mir das Angst«, sagt der aus Pakistan stammende 25-jährige Usman Arif.

Was war passiert? Am Mittwochmorgen wurde in sozialen Netzwerken folgende Mitteilung veröffentlicht: »Soeben ist ein 24-jähriger Syrer, der tagelang am LAGeSo bei Minusgraden im Schneematsch angestanden hat, nach Fieber, Schüttelfrost, dann Herzstillstand im Krankenwagen, dann in der Notaufnahme - verstorben«. Die Flüchtlingsinitiative »Moabit hilft« bestätigte die Informationen. Ein ehrenamtlicher Helfer habe den fiebernden Mann zuvor in seine Privatwohnung aufgenommen, sagte die Sprecherin der Willkommensinitiative, Diana Henniges dem »neuen deutschland«. Dort sei er wegen seines schlechtes Zustandes von einem Krankenwagen abgeholt worden. »Bei unseren Helfern besteht kein Anlass davon auszugehen, dass es nicht stimmt was sie sagen«, sagte Michael Ruscheinsky, ein weiterer Sprecher der Flüchtlingsorganisation.

Seit den Morgenstunden versuchen Polizei, Feuerwehr und die Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales den angeblichen Todesfall aufzuklären. Bis zum Redaktionsschluss am Mittwochabend konnten die Behörden jedoch keinen Nachweis auffinden, dass der Vorfall sich wie geschildert ereignet habe. »Wir können nicht bestätigen, dass ein 24-jähriger Syrer gestorben ist«, sagte Sascha Langenbach, Pressesprecher der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales. Die Mitarbeiter seiner Verwaltung hätten für die zurückliegenden 24 Stunden alle »39 Aufnahmekrankenhäuser, sämtliche Kliniken sowie private Rettungsdienste« ohne Ergebnis abtelefoniert. »In den ersten Stunden gab es nur wenig Anhaltspunkte. Viele Mitarbeiter haben versucht die Informationen zu überprüfen, und dass nicht nur hier«, sagte Langenbach. »Wir versuchen weiterhin die Angaben zu verifizieren.«

Auch die Berliner Feuerwehr konnte den Einsatz bis Redaktionsschluss dieser Seite nicht bestätigen. »Wir haben in unserem System alle Einsätze von ungefähr halb eins bis drei Uhr durchgeschaut und nichts gefunden«, sagte der Pressesprecher der Feuerwehr, Björn Radünz. Wenn eine genaue Adresse sowie eine genaue Uhrzeit der Feuerwehr mitgeteilt werden würde, könne auch genauer nach dem Einsatz gesucht werden, hieß es. Die Berliner Polizei war ebenfalls ratlos. »Wir haben bisher keinen Leichnam. Wir prüfen das, was in den sozialen Medien berichtet wird«, sagte die Pressesprecherin Kerstin Ziesmer.

Der Flüchtlingshelfer, der im Internet vom angeblichen Tod des Asylbewerbers berichtet hatte, wollte sich zunächst nicht weiter äußern. Das teilte das Bündnis »Moabit hilft« am späten Nachmittag mit. Der Mann habe dies dem Bündnis in einer SMS mitgeteilt und darin auch erklärt, sich noch früh genug an die zuständigen Behörden zu wenden. Sein Telefon sei ausgeschaltet und auch die Tür öffne er nicht. Die Polizei klingelte nach eigenen Angaben ebenfalls vergeblich.

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