Nach Griechenland?

Vor uns liegt eine gewaltige Integrationsaufgabe: die »Verfassungsfremden« zurückzuholen in das Lager der Vernunft und des Anstandes

  • Roberto J. De Lapuente
  • Lesedauer: 3 Min.

All diese Menschen in die deutsche Gesellschaft zu inkludieren wird ein schwieriges Unterfangen. Die Integrationsleistung wird einem gesellschaftlichen Kraftakt gleichen. Doch »there is no alternative«. Wir können diese Leute doch nicht einfach wegschicken.

Viele von ihnen neigen zur Gewalt. Andere sind nur Maulhelden. Aber auch da blubbert verbale Gewalt hervor. Wir können uns nun darüber unterhalten, wie es zu dieser Gewaltbereitschaft kam. Über Perspektivlosigkeit, Langeweile und rohe Sitten. Aber nicht alle, die zum Beispiel mit Arbeit nicht in Berührung kamen, sind deshalb gleich zu solchen geworden. Jeder verarbeitet seine Misere anders. Eine Handvoll radikalisiert sich, liest Erbauungsschriften, kleidet sich anders, will sich von den anderen unterscheiden und tritt dann aggressiv gegen alle auf, die nicht das glauben, was er zu glauben begonnen hat. Andere sympathisieren mit diesen Radikalen, distanzieren sich nicht und lassen sich deren Nähe gefallen.

Mit westlichen Werten haben sie es auch nicht so richtig. Demokratie halten sie für Nonsens, freie Wahlen seien mit einer richtigen Ordnung nicht vereinbar. Frauen kommen in deren Gesellschaftsbild als Heimchen vor, als pausenlose Pflegekraft für den Nachwuchs. Sie gleiten in Parallelgesellschaften ab, zu denen kein Zugang gewährt wird. In denen empfangen sie Hassprediger, beten sie die traditionellen Weisen ihrer Altvorderen. Bildung gilt bei ihnen leider auch nicht besonders viel. Kurz gesagt, es sind Fremde, die in unser Land gar nicht passen, die sich nicht integrieren wollen und trotzdem in Anspruch nehmen, nicht leichtfertig abgewiesen zu werden.

Die Integration dieser Fremden dürfte ein gigantischer Kraftakt sein. Man muss sie ihrer Ideologie entreißen und gleichzeitig Perspektiven aufbauen, sie den Gepflogenheiten der westlichen Werte annähern und ihnen diesen Antihumanismus ausreden. Das kostet Geld. Man braucht Infrastruktur, Investitionen im öffentlichen Raum, Arbeitsplätze. Es werden Psychologen und Sozialarbeiter benötigt. Auf Ehrenamt kann eine solche Integrationsleistung nicht fußen. Es bedarf schon eines geregelten Ablaufs, fachmännischer Betreuung und sachgerechter Behandlung jedes Einzelfalles. Gleichzeitig darf man nicht zu romantisch sein. Wer nicht will, muss mit Sanktionen rechnen. Denn wer hier nämlich leben will, sollte sich an unsere Regeln und Gesetze halten. Wer das nicht tut, muss mit aller machbaren Härte zu rechnen haben.

Natürlich sagen da viele, dass es wesentlich weniger Aufwand und zudem auch billiger wäre, wenn wir diese Leute abweisen würden. Wenn wir sie isolierten und nur bestraften, wenn es nötig wird. Aber das ist keine Alternative, ein Rechtsstaat muss allezeit den Anspruch haben, den Menschen in seinen Grenzen Chancen zu gewähren. Sie teilhaben zu lassen. Und hinter die Grenzen kann man sie ja nicht setzen. Rein rechtlich geht das schon nicht. Diese Leute haben ja den deutschen Pass, leben vielleicht schon ihr ganzes Leben hier. Nur weil sie jetzt bei Pegida Parolen skandieren, der AfD beitreten, sich mit Glatzköpfen in Bürgerwehren vereinigen und sich am Rechtsruck zu schaffen machen, kann man sie doch nicht abweisen. Auch sie haben eine zweite Chance verdient. Sie wieder zurückzuholen in das Lager der Vernunft und des Anstandes dürfte die schwierigste Integrationsaufgabe sein, die dieses Land je angehen musste. Ob sie hernach gleich Verfassungspatrioten werden, bleibt fraglich. Aber in dem jetzigen Zustand als »Verfassungsfremde« können sie auf keinen Fall weiterhin verharren.

Und falls sie es doch tun? Auch dann ist die Ausweisung heikel, denn diese Menschen haben ein Recht auf Unversehrtheit, man kann sie nicht einfach dorthin schicken, wo ihre Menschenrechte gefährdet sind. Nach Syrien etwa oder sie der Hetze nationalistischer Ungarn und Polen aussetzen. In welches sichere Drittland will man sie denn schicken? Nach Griechenland vielleicht? Dort haben sie ihr Gastrecht doch auch schon verwirkt.

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