Mit dem Papst in den Landtag
Linkspartei sucht Unterstützung in Losungen des Pontifex, die auch von ihr stammen könnten
Die Linkspartei hatte zur Eröffnung ihrer landesweite Plakatkampagne in Mainz einen Coup geplant. Vor der überragenden Kulisse des Mainzer Doms enthüllten die Spitzenkandidaten Jochen Bülow und Kathrin Meß vor laufenden Kameras ein Großflächenplakat. Darauf zu sehen: das Abbild von Papst Franziskus. Man wolle bewusst provozieren und zum Nachdenken anregen, hieß es gegenüber den erstaunten Betrachtern.
Der Papst als linker Wahlhelfer und Kronzeuge? Diese Frage dürfte vielen Menschen im Vier-Millionen-Land zwischen Eifel, Westerwald und Pfälzer Wald durch den Kopf gehen, da beim Blick auf das Wahlplakat das katholische Oberhaupt und der Schriftzug der Partei DIE LINKE in idyllischer Symbiose erscheinen. »Wenn die Politik wirklich den Menschen dienen soll, darf sie nicht Sklave der Wirtschaft und Finanzwelt sein«, so die von Franziskus formulierte Botschaft an der Plakatwand, die die LINKE übernimmt. Tatsächlich könnte sie ja auch aus dem Munde von Bundesparteichef Bernd Riexinger stammen, der eigens zur Plakatenthüllung nach Mainz geeilt war.
Während Franziskus am Vortag im fernen Rom deutschen Milchbauern in ihrem Kampf um Erzeugerpreise zusprach, dürfte den Mainzer Bischof Karl Kardinal Lehmann die unerwartete politische Vermarktung der Systemkritik seines obersten Chefs überrascht haben. Jochen Bülow und Kathrin Meß (beide 50), die nach dem Urnengang Mitte März in den Mainzer Landtag einziehen wollen, erhoffen sich vom Echo auf das Papst-Plakat Aufmerksamkeit, Rückenwind und Auftrieb. Beide galten bislang als »Nobodys« in einem Land, in dem jetzt derzeit Frauen um den Chefsessel in der Staatskanzlei kämpfen - Amtsinhaberin Malu Dreyer (SPD) und Herausforderin Julia Klöckner (CDU).
Doch weil jüngste Umfragen der Partei wiederholt Chancen bescheinigten, am 13. März die magische »Fünf« zu knacken, steigt bei Wahlvolk und Medien in Rheinland-Pfalz das Interesse an Personal und Programm der LINKEN. Dies dürfte zu einem guten Teil der objektiven Lage geschuldet sein, die Fragen der sozialen Gerechtigkeit in den Mittelpunkt rücken lasse, so Bülow. Armut und Wohnungsnot seien zunehmend spürbar und träfen nicht nur Kinderreiche, Alleinerziehende und Neurentner, berichtet der Spitzenkandidat von seinen Reisen durch das Land, bei denen er auch Tafeln in Stadt und Land besucht hat.
Der einstige Rundfunkjournalist ist seit 2005 im Parteiapparat aktiv und »alter Hase« im Politbetrieb. Er wohnt in einem Bauernhaus im Westerwald, ist langjähriger Mitarbeiter des Bundestagsabgeordneten und Linkspartei-Landeschefs Alexander Ulrich und hat gelernt, Mehrheiten zu organisieren. Schon vor fünf Jahren hatte Bülow Ambitionen auf einen vorderen Listenplatz für den Landtag gezeigt, sein Lager blieb damals jedoch in der Minderheit. Nach Rückschlag und Durststrecke dürfte es für ihn in diesem Urnengang um alles oder nichts gehen. Weil es am 13. März knapp werden könnte, geht er ungezwungen auf Menschen zu und versucht auch einstige innerparteiliche Kontrahenten einzubinden. Nach jüngsten Meldungen könnte Bülow nun sogar die Chance bekommen, sich in der SWR-Elefantenrunde gegen fünf andere Parteivertreter zu behaupten. Boykottankündigungen der großen Parteien, die die aufstrebende rechte »Alternative für Deutschland« (AfD) treffen sollten, hatten dies in den letzten Tagen unwahrscheinlich erscheinen lassen. Nun soll es doch zum Streitgespräch kommen, signalisierten die SPD und am Donnerstag auch Julia Klöckner ihr Einlenken.
Die Protagonisten der Linkspartei, die 2011 in der ersten Reihe antraten, stehen längst nicht mehr im Rampenlicht. Einer von ihnen ist Harald Jürgensonn, Ex-Pressesprecher der Landespartei. »Das Plakat ist witzig, ein Hingucker«, meint er anerkennend. »Kann man machen bei 44,5 Prozent Katholikenanteil im Land«, so sein spontaner Kommentar. Auch wenn er ein landesspezifisches Plakatmotiv besser gefunden hätte. Als weibliche Spitzenkandidatin, Kontrast und Ergänzung steht Bülow Kathrin Meß zur Seite. In Ahrenshoop an der Ostsee aufgewachsen, erlernte Meß zu DDR-Zeiten zwei solide Berufe und absolvierte erst später ein Hochschulstudium. Die promovierte Historikerin und Dozentin kennt sich in der NS-Geschichte gut aus. Ohne parteipolitischen Hintergrund trat sie erst 2011 in die Linkspartei ein und sitzt heute im Kreistag von Trier-Saarburg. Meß ist von früheren Konflikten im Landesverband unbelastet und sieht vor allem in der Auseinandersetzung mit der AfD eine Herausforderung. »Die Zeit ist reif, die Resonanz gut. Viele sehen uns als einziges, authentisches Gegengewicht zur AFD«, so ihr bisheriges Resumee.
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