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In die rechte Ecke
Die Frauenrechtsorganisation Terre Des Femmes ist nicht nur transfeindlich, sondern auch rassistisch, meint Sibel Schick
Je sichtbarer marginalisierte Minderheiten werden, desto heftiger werden sie angegriffen – aktuell betroffen sind transgeschlechtliche Menschen. Nicht die Angriffe, aber die Plattform, auf der der Kampf ausgeführt wird, ist neu: Das Netz und der leichte Zugang dazu.
Am 12. September veröffentlichte die Frauenrechtsorganisation Terre Des Femmes (TDF) ein Positionspapier zur Transgeschlechtlichkeit, in dem sie ihre Haltung zu Menschen, die nicht cis- oder zweigeschlechtlich sind, klarmachte: Für die patriarchale Geschlechterordnung sei das »biologische« Geschlecht (gemeint sind vermutlich die Reproduktionsorgane, denn was sonst) der einzige Anlass für die Unterdrückung von Mädchen und Frauen.
TDF reduziert in dem Papier die Identität von transgeschlechtlichen Menschen auf eine Willenserklärung, die keinen Einfluss auf ihre Diskriminierung habe. Zudem wirft TDF trans Menschen vor, durch ihre Transition, also operative Eingriffe, dazu beizutragen, das Patriarchat zu bekräftigen und in Frauenräume hineinzutragen, zum Beispiel in Frauenhäuser. Dabei ist es die cisgeschlechtliche Mehrheitsgesellschaft, die trans Personen zwingt, eine Transition durchzugehen, die mit viel Schmerz, Stigma und Ressourcen verbunden ist. Und das Patriarchat kommt sicherlich nicht erst mit transgeschlechtlichen Menschen in Frauenhäuser hinein. Zu den Fragen, die ich TDF stellte, wollte sich die Organisation nicht äußern. Schade.
TDF positioniert sich gegen Transitionen, indem sie behauptet, es gäbe Forderungen für operative Eingriffe auf Minderjährige. Auch diese Behauptung wollte TDF nicht belegen.
»Besser dreist als still« - Johanna Montanari rezensiert das neue Buch von Sibel Schick.
Für den Autor Linus Giese verdienen in den Augen von TDF nur cis Mädchen und cis Frauen Schutz. »Trans Frauen sollen keinen Zutritt zu Frauenhäusern erhalten, während trans Jungen davor ‚geschützt‘ werden sollen zu transitionieren. Wir werden nicht als Menschen gesehen, sondern wahlweise als gefährliche Eindringlinge oder schützenswerte Verwirrte,« ordnet er auf Anfrage ein.
Warum tätigt man transfeindliche Aussagen, während man sich für die Rechte von cis Frauen und cis Mädchen einsetzt? Für die Youtuberin Juliana, auch als »UnrulyJuli« bekannt, geht es transfeindlichen Feminist*innen um die Absicherung ihrer eigenen gesellschaftlichen Position: »Die genetische Anlage schafft die ultimative Sicherheit. Diese Eindeutigkeit kann sich darauf berufen, die Mehrheitsmeinung hinter sich zu haben. So hat man eine hierarchisch starke Position im Diskurs. Eine, die sich nicht rechtfertigen muss.«
Inge Bell, stellvertretende Vorstandsvorsitzende von TDF, zog vergangenes Jahr einen bizarren Vergleich auf ihrem privaten Facebook-Account: »Trans-Frauen sind nicht Frauen, Trans-Männer sind nicht Männer. Sie haben ihre Geschichte, die sie zu etwas Besonderem macht, eben zu ‚Migranten‘, nicht ‚Natives‘ – also zu ‚Einwanderern‘ in das entsprechende Geschlecht, nicht zu ‚Eingeborenen‘.« (sic) Im Anschluss weist sie darauf hin, dass transgeschlechtliche Menschen natürlich zu »vulnerablen Minderheiten« gehören und geschützt werden sollen. Genau diese subtile Art macht solche Angriffe so schwer zu enthüllen.
»Ich dachte es sei eine Frau, und habe die Kontrolle verloren, als ich merkte, dass es ein Mann war,« – das sagte ein Mann in der Türkei, der 2013 eine trans Sexarbeiterin tötete, vor Gericht und erhielt eine Strafminderung. Trans Frauen als auch Männer in Frauenkleidung zu diffamieren ist keine Randerscheinung, sondern eine gängige Ausrede für Mörder. Damit können sie nämlich mit der Empathie der Richter und einer Strafminderung rechnen. Wer die Identität der trans Frauen auf eine Willenserklärung reduziert und behauptet, diese würden das Patriarchat in Frauenhäuser hineintragen, diffamiert sie ebenso als Männer mit Frauenkleidung. Ziemlich zynisch, dass transfeindliche Feministinnen sich die Argumente von Frauenmördern nehmen, während sie gleichzeitig sagen, dass man diese Gruppe aber natürlich schützen müsse.
Die Denkweise in Bells Post verrät auch die Haltung zu der Einwanderungsgesellschaft, in der wir leben: »Migranten« und »Eingeborenen« als Gegensätze dafür, wer dazugehöre und wer nicht. Deshalb kommt der offene Brief von TDF als Reaktion auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts, dass das Berufsverbot einer Lehrerin mit Kopftuch unzulässig ist, wenig überraschend daher. Darin heißt es: »Lehrerinnen mit islamischem Kopftuch (Verhüllung sexueller Reize) können nicht authentisch und glaubwürdig in der Schule unsere Grundwerte wie Demokratie (zum Beispiel Gleichberechtigung von Frau und Mann), Freiheit (z. B. religiös zu sein oder nicht) und Selbstbestimmung (z. B. über den eigenen Körper und die eigene Sexualität selbst zu bestimmen) lehren.« Im Weiteren wird die Sorge geäußert, dass die Errungenschaften von Emanzipation und Gleichberechtigung mit der Aufweichung des Neutralitätsgebots ausgehebelt würden. TDF wolle das weitere Anwachsen von Parallelgesellschaften verhindern.
Die Inklusion und der Aufstieg einer Frau mit Kopftuch, die gleichzeitig von Rassismus und Sexismus betroffen ist, und ihr Kampf für Gleichberechtigung, wird plötzlich zur Gefahr für ebenjene Gleichberechtigung, und sogar die Demokratie und eine Ursache für die Entstehung von Parallelgesellschaften. Sie ist quasi für alles schuld, was in Deutschland schiefläuft. Ein Würgegriff, den man sonst von Rechtsaußen kennt.
TDF lässt auch auf anderen Ebenen die Tür nach Rechtsaußen offen. Auf ihrer Website verlinkt sie Artikel, die auf »Tichys Einblick« erscheinen, für die auch die TDF-Vorstandsfrau Necla Kelek schon mal einen Artikel geschrieben hat. Kelek ist zudem Autorin des rechten Blogs »Die Achse des Guten« und Co-Autorin von rechten Akteur*innen wie Birgit Kelle und Thilo Sarrazin. Birgit Kelle schreibt unter anderem für die Zeitung »Junge Freiheit«, die man als Sprachrohr der Neuen Rechten beschreiben kann, und Bücher, die man antifeministische Propaganda nennen könnte.
Mit wem politische Organisationen kooperieren, zeigt, für welche Politik sie stehen. Transfeindlichkeit geht nicht nur in diesem Beispiel mit Rassismus einher, diese zwei Ideologien sind untrennbar. Politische Organisationen, die sich Argumente von Frauenmördern nehmen und mit Rechtsaußen gemeinsam veröffentlichen oder auftreten, haben im Kampf für Gleichberechtigung nichts verloren. Sie sollten sich nicht wundern, wenn man sie dorthin schiebt, wo sie hingehören: In die rechte Ecke.
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