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Innere Gefahren für die Demokratie
Kontext? Verhältnismäßigkeit? Zählt kaum mehr – und niemand ist empört. Christoph Ruf fragt: Ist die Demokratie etwa nicht nur von der AfD gefährdet?
Im wohlmeinenden Milieu gab es erstaunlich wenige Reaktionen auf die Tatsache, dass sich die »Letzte Generation« tja, was eigentlich, »umbenennt«? »Umorientiert«? De facto dürfte sie verschwinden, zumindest aus der öffentlichen Wahrnehmung. Ich finde die Nachricht ausgesprochen traurig, wenngleich ich die Analyse, die zur Abkehr von den Blockaden geführt hat, teile. Die bringen nichts in Zeiten, in denen die BILD unter den Klimaschützern den nächsten Benno Ohnesorg sucht. Und sich die wohlmeinende Öffentlichkeit sanft zurücklehnt, weil die Erkenntnis, dass es die Kipppunkte wirklich gibt, ja Konsequenzen erfordern würde. Wenn eine LG-Sprecherin betont, man werde »nicht mehr bei einer Regierung darum betteln, unsere Forderungen zu erfüllen«, ist das ebenfalls hellsichtig und würdig. Man endet sonst wie Luisa Neubauer.
Der Umgang meiner Generation (und der noch älteren) mit der Letzten war im Übrigen schon immer so verlogen wie es die spärlichen Reaktionen auf ihr Ende sind. Die Letzte Generation oder auch nur den ernsthaften Teil von Fridays for Future als irgendwie repräsentativ für die 15- bis 25-Jährigen zu sehen, war schon immer lächerlich und weltfremd. Dass das juste milieu so lange daran festgehalten hat, bis auch der Ignoranteste lesen durfte, wie stark die AfD bei Jungwählern abschneidet, ist wohl nur tiefenpsychologisch zu erklären. Man redet sich doch ganz gerne ein, dass die eigenen Kinder Teil einer kritischen, jugendlich-radikalen Bewegung sind (und damit die vermeintlich eigene Biographie fortsetzen). Ansonsten müsste man sich ja eingestehen, dass die Öko-Radikalen nur ein sehr kleiner Teil einer Generation sind, in der sich die meisten doch ganz gerne für ein Wochenende in den Flieger setzen und Tünkram (wer ernsthaft so spricht, MUSS abgewählt werden) bei AliExpress in China kaufen.
Christoph Ruf ist freier Autor und beobachtet in seiner wöchentlichen nd-Kolumne »Platzverhältnisse« politische und sportliche Begebenheiten.
Da sind sie dann allerdings wirklich Abbild der Elterngeneration, die längst auch die Staatsanwaltschaften und Gerichte besetzt. Wenn ich sehe, mit welch drakonischer Härte die im zu Ende gehenden Jahr abgeurteilt haben, was nicht in ihr Law-and-Order-Weltbild passt, möchte ich selbst in den nächstbesten Flieger steigen. In Karlsruhe gab es 14 Monate Gefängnis ohne Bewährung für einen Ultra, der Pyrotechnik gezündet hatte und angedrohte Beugehaft sowie faktische Geldstrafen für Sozialpädagogen, die ihren Job gemacht haben. Auch das Vorgehen gegen die Letzte Generation müsste eigentlich alle erschüttern, die noch das ernstnehmen, was in den Schulbüchern über die Freiheitlich-Demokratische Grundordnung steht. In Berlin bekam ein 65-Jähriger 22 Monate Gefängnis ohne Bewährung, davon ein Jahr für eine einzige Sitzblockade. Und nicht nur in Karlsruhe und Berlin scheint eine Justiz Oberhand zu gewinnen, die politische Kontexte ebenso missachtet wie das Gebot der Verhältnismäßigkeit.
Vielleicht ist es am Ende eines Jahres, in dem weltweit Libertäre und Großkapitalisten durch Wahlen an die Macht kamen, mal an der Zeit, sich auch im eigenen Land umzuschauen. 2025 wird zeigen, ob die Demokratie nicht allmählich im gleichen Maße von innen wie von außen bedroht wird. Und damit meine ich längst nicht nur die drohenden Wahlerfolge der AfD.
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