Brüssel macht Briten weitgehende Zugeständnisse

Bericht: EU kommt konservativem Premier Cameron mit »Migrationsbremse« weit entgegen / Kritik von McAllister (CDU): Arbeitnehmerfreizügigkeit und Nicht-Diskriminierung »nicht verhandelbar«

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Berlin. Bleibt Großbritannien in der EU - und zu welchem Preis? Laut der »Frankfurter Allgemeinen« sollen sich Brüssel und London weitgehend einig sein über Änderungen an den Grundlagen der EU, mit denen der konservativen Regierung von David Cameron entgegengekommen werden soll. Der Premierminister habe sich mit vielen seiner Forderungen durchgesetzt, schreibt das Blatt unter Berufung auf ein 20-seitiges Papier, das am Montag an die Mitgliedsstaaten verschickt werden soll. So sollen etwa Sozialleistungen für EU-Ausländer bis zu vier Jahre lang gekürzt oder ganz gestrichen werden können - allerdings nur nach Abstimmung im Europäischen Rat. Cameron nannte die bisherigen Vorschläge aus Brüssel am Freitag daher auch »nicht ausreichend«.

Ein Kompromiss steht liegt aber wohl nicht so weit entfernt. Der bisherige Stand sieht offenbar vor, dass Sozialleistungen für EU-Ausländer nur gestrichen oder gekürzt werden dürfen, wenn die Sozialsysteme, der Arbeitsmarkt oder die Funktionsfähigkeit von Universitäten, Krankenhäusern oder anderen öffentlichen Einrichtungen durch die Einwanderung aus der EU besonders stark belastet sind. Dafür sollen »objektive Beweise« erforderlich sein. Zudem soll den Mechanismus laut »FAZ« nicht ein Mitgliedstaat allein aktivieren dürfen, sondern nur der Europäische Rat mit qualifizierter Mehrheit und nach Prüfung der Kommission. In den Brüsseler Beratungen läuft das Verfahren unter dem Stichwort »Notbremse« oder »Migrationsbremse«. Das Verfahren würde nicht nur für Großbritannien gelten, sondern auch für jedes andere EU-Land.

Der konservative Premierminister will die Briten im Sommer oder Herbst über den Verbleib in oder den Austritt aus der EU (Brexit) abstimmen lassen. Zuvor will er eine Reform der EU erreichen, um bei seinen Landsleuten für die weitere Mitgliedschaft in der Union werben zu können. Seine umstrittenste und zugleich markanteste Forderung ist es, EU-Ausländern vier Jahre lang Sozialleistungen vorzuenthalten und so Zuzugsanreize zu senken. Jüngsten Umfragen zufolge würden sich die Briten bei einem Referendum knapp für einen Austritt ihres Landes aus der EU entscheiden. Cameron hatte vor seiner Wiederwahl im Mai 2015 versprochen, bis spätestens Ende 2017 ein EU-Referendum abzuhalten.

Viele EU-Länder, vor allem die mit einer großen Anzahl von Arbeitskräften in Großbritannien, lehnen den Reformwunsch aus London zu den Sozialleistungen für EU-Arbeitskräfte ab. So machte die polnische Regierung bereits klar, dass sie keine »Diskriminierung« ihrer Landsleute akzeptieren werde.

Der CDU-Europaabgeordnete David McAllister sagte, man dürfe die Arbeitnehmerfreizügigkeit und Nicht-Diskriminierung von EU-Bürgern in Europa nicht opfern, um Großbritannien in der EU zu halten. »Beide zählen zu Europas Grundpfeilern und sind nicht verhandelbar«, sagte der deutsch-britische Politiker der »Berliner Zeitung«. Daran ändere auch nichts, dass die Forderung von Cameron. Agenturen/nd

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