Die Seeheimer und der starke Staat
Konservative SPDler schrieben Wunschzettel, der von der Union verfasst sein könnte
Handlungsfähig, entschlossen, selbstbewusst - so wäre sie gern, die SPD. Und angesichts der Probleme in Deutschland und EU-Europa stünden die Chancen derzeit gar nicht schlecht, die Union vor sich her zu treiben. Doch das, was die Konservativen in der SPD als ihre Standpunkte aufgeschrieben haben, dient eher der Verbrüderung.
»Durch mangelnde personelle und materielle Ausstattung der Behörden und ihre nur rudimentär vorhandene Vernetzung untereinander haben wir vor allem ein Vollzugsproblem in unseren Land.« Dadurch gebe es Zustände, »die für einen modernen Rechtsstaat nicht hinnehmbar und auch nicht mit unseren Vorstellungen von einer wehrhaften Demokratie in Einklang zu bringen sind«. Ein »grundsätzliches Umdenken« sei notwendig. Auf Drängen der SPD habe die Koalition zwar bereits eine Aufstockung der Bundespolizei um 3000 Stellen beschlossen, doch das reiche nicht. Im Bereich der Ordnungsaufgaben brauche die Bundespolizei ein Plus von 11 000 Stellen. Hinzu komme ein deutlich gestiegener Mehrbedarf an den deutschen und europäischen Stellen. Rechne man Ausbildungs- und Unterstützungsmissionen hinzu, so bedeute das noch einmal 3000 Stellen zusätzlich. 5000 zusätzliche Bundespolizisten verlange das gestiegene Passagieraufkommen an den Flugplätzen, zur Sicherstellung legt man noch einmal 1000 Planstellen drauf. Unterm Strich wären das 20 000 Bundespolizisten mehr. So viel zu fordern, hat sich kein Unionspolitiker in den vergangenen Jahren getraut. Der Zoll, der zum Finanzministerium gehört, soll 6000 Stellen mehr erhalten. Davon müssten je 1000 zur Kontrolle des Mindestlohnes und gegen Schwarzarbeit eingesetzt werden, 1500 Plus sind für effektivere Finanzkontrollen vorgesehen.
Geradezu bescheiden ist das, was die Seeheimer dem Bundeskriminalamt zubilligen wollen: 250 Polizisten zur Abwehr der Organisierten Kriminalität und 100 für den Kampf gegen politisch motivierte Straftaten. Zugabe sind 50 Personenschützer. Den Geheimdiensten will man eine verbesserte technische Ausstattung zukommen lassen und verlangt eine bessere Kooperation untereinander und mit der Polizei.
Da man gerade beim Herbeizaubern von Personal ist, bekommt auch die Bundeswehr etwas ab. 200 000 Soldatinnen und Soldaten, also rund 27 000 Uniformierte mehr als derzeit, hält man »angesichts der näher rückenden militärischen Konflikte am Rande Europas« für angemessen.
»Wenn es uns nicht gelingt, den Staat wieder zu einem wirklich starken Staat zu machen, werden die Rattenfänger von der AfD weiteren Zulauf erhalten«, sagte der Sprecher des Kreises, Johannes Kahrs und äußert damit eine Ansicht hinter der rund 70 Bundestagsabgeordnete der SPD stehen. Es sind nicht die unbedeutendsten Genossen. Neben Kahrs sind Carsten Schneider und Petra Ernstberger Sprecher der Gruppe, zu der auch Vizekanzler Sigmar Gabriel, Außenminister Frank-Walter Steinmeier und Fraktionschef Thomas Oppermann gehören.
Klar ist, dass man ausgebildete Fachleute nicht von jetzt auf gleich haben kann. Um die Ausbildung zu forcieren, will man pensionierte Polizisten reaktivieren und ausscheidenden Bundeswehrangehörigen den Eintritt in die Bundespolizei erleichtern.
Das Fazit der Seeheimer lautet: »Wir brauchen den starken Staat.« Bei Betroffenen und Zuständigen rennen die rechten SPD-Genossen offene Türen ein. Die Gewerkschaft der Polizei fordert schon lange eine Wiederaufstockung auch der Bundespolizei und Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hat ohnehin vor, das Personalkonzept der Bundeswehr unter die Lupe zu nehmen. Was ohne Zweifel - nach der Zulage von 130 Milliarden Euro bis 2030 für die Rüstung - auch eine personelle Verstärkung zum Ziel hat. Von der Leyen betrachtet die Überlegungen aus der SPD zumindest »als Rückenwind für die Truppe«.
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