Blockupy kommt zurück

Im Herbst 2016 und Frühjahr 2017 vermutlich Mobilisierung nach Berlin

  • Sebastian Bähr
  • Lesedauer: 4 Min.
Ein Jahr nach den Protesten in Frankfurt am Main: Die Flüchtlingsbewegung schafft laut den Aktivisten neue Spielräume für eine linke Offensive.

»Aus der deutschen Bundestagswahl 2017 müssen wir eine europäische Angelegenheit machen«, sagt der Aktivist Jan am Sonntag in einem Hörsaal der Technischen Universität Berlin. Es gibt kaum Widerspruch. Nach knapp zwei Tagen Debatte haben sich rund 200 Aktive des aus linken Gruppen, Gewerkschaften und Parteien bestehenden Blockupy-Bündnisses auf einen Fahrplan für die nächsten Monate weitestgehend geeinigt: Es geht nach Berlin, dem »Ort der politischen Macht«, erklären die Aktivisten. Die Stadt ist offenbar gefragt. Für den 9. Februar kündigte der ehemalige Finanzminister Griechenlands Yannis Varoufakis die Gründung der europäischen Bewegung »DiEM 25« in der Volksbühne an. Wie angekündigt erschien er auch auf dem Treffen und sagte unter anderem: »Ich bin hier, um zuzuhören und zu lernen.« Er gründe seine Initiative an bestehenden Ansätzen vorbei, lautete eine Kritik an Varoufakis im Vorfeld der DiEM-Gründung.

Bereits im Herbst 2016 will Blockupy nach Berlin mobilisieren. Das Leitmotiv soll nach bisherigem Diskussionsstand die »soziale Frage« sein, die sich laut Blockupy durch die Flüchtlingsbewegung neu stellt. Konkrete Konzepte über Ablauf und Form der Protesttage werden jetzt diskutiert. Einige Aktivisten schlagen Aktionen des zivilen Ungehorsams vor. Mehr oder wenig einig war man sich aber darin, dass die Proteste im Herbst vor allem genutzt werden müssen, um für das Frühjahr 2017 groß nach Berlin zu mobilisieren. Zur Bundestagswahl soll sich europaweit in der deutschen Hauptstadt versammelt werden. Dort werde dann möglicherweise - wie zuvor von Linkspartei-Mitgliedern in Blockupy vorgeschlagen - ein transnationaler »Gipfel der Prekären und Ausgeschlossenen« stattfinden. Aktivisten der linksradikalen »Interventionistischen Linken« schlagen vor, im Frühjahr ein »selbst gewähltes Event« unter dem Motto »Europa für Alle« zu veranstalten und die Jugend des Kontinents dazu einzuladen. Auch hier wird die konkrete Ausgestaltung noch weiter beraten. Neben der Bundestagswahl gibt es nächstes Jahr noch einen weiteren Aspekt, der als Mobilisierungsmotor wirken könnte: der 100. Jahrestag der Oktoberrevolution.

Bis dahin wollen die Aktivisten den europäischen Machteliten mit »Nadelstichen« zusetzen, die in den lokalen »Stadt für alle«-Initiativen gesetzt werden sollen, zu deren Gründung zuvor auf dem Ratschlag aufgerufen wurde. Aber auch zu Protestaktionen an der EU-Außengrenze, dem Aktionstag des »transnationalen Streiks« am 1. März 2016 sowie möglicherweise zu einer Streikkonferenz linker Gewerkschaften im Herbst soll aufgerufen und mobilisiert werden. Es wird noch diskutiert, wie viel Aufmerksamkeit und Energie in diese »Nadelstiche« gesteckt werden soll. »Die Hauptaufgabe von Blockupy wird darin bestehen, diese Bewegungen zu stärken und zu stützen«, sagt die Bündnissprecherin Hannah Eberle. »Wir nehmen die Einladung unserer griechischen Bündnispartner an die EU-Außengrenze aber ernst«, fügte sie hinzu. Vor allem das linksradikale »ums Ganze!«-Bündnis hatte sich für eine praktische Thematisierung des europäischen Grenzregimes stark gemacht.

Kritik an den Plänen gab es von einem Mitglied der globalisierungskritischen Organisation »attac«: Das Konzept sei zu abstrakt, die derzeitige gesellschaftliche und politische Dynamik erlaube es nicht, einem »Fahrplan« zu folgen, erklärte ein Aktivist. Wichtiger als die konkreten Aktionen müsse zudem sein, dass diese auch von einem relevanten Teil der Gesellschaft verstanden werden, mahnte der Aktivist Mario an. »Wir müssen eine Praxis finden, in der unsere Unterschiede ihren Platz finden. Wichtig ist aber, die politische Begründung verständlich zu vermitteln«, sagte er.

Im nächsten Schritt sollen die Ergebnisse des Ratschlags in die an Blockupy beteiligten Gruppen zurückgegeben werden. Aus dem Umfeld des Bündnisses ist zu hören, dass noch ein Aktiventreffen in diesem Jahr stattfinden könnte, um das weitere Vorgehen zu konkretisieren. Dies seien laut Aktivist Frederic aber nicht die entscheidenden Orte, um die Zukunft des »alternativen Europas« zu bestimmen: »Die Entscheidung findet auf der Straße statt.« Die Stimmung bei Blockupy ist gut: Die politischen Karten im europäischen Mächteverhältnis sind neu gemischt. Die Willkommensinitiativen haben zahlreiche Menschen neu politisiert und bieten Anknüpfungspunkte für progressive Bewegungspolitik. Die Machtelite kommt im direkten Sinne des Wortes an ihre Grenzen - und ist angreifbarer denn je.

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