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BSW trägt zunächst interne Kämpfe aus

Das BSW will nach der Niederlage bei der Bundestagswahl weitermachen

In einem offenen Brief ruft die BSW-Führung die bislang übersichtliche Mitgliedschaft zum Durchhalten auf und will das Projekt nicht scheitern lassen.
In einem offenen Brief ruft die BSW-Führung die bislang übersichtliche Mitgliedschaft zum Durchhalten auf und will das Projekt nicht scheitern lassen.

Die BSW-Spitze hat ihre Sprache wiedergefunden. Wochenlang hatte man vom Führungspersonal nicht viel gehört – außer den verzweifelten Versuchen, die fehlenden knapp 10.000 Stimmen bei der Bundestagswahl doch noch zu finden. Ansonsten: weitgehende Funkstille zu der Frage, wie es weitergehen soll. Aus Landesverbänden waren schon Beschwerden zu hören.

Vielleicht mussten Wagenknecht und Co. noch den Schock vom Wahlabend verdauen, als die Partei, die sich lange zuversichtlich gegeben hatte, äußerst knapp an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert war. Punktuelle Nachzählungen in Wahllokalen hatten noch ein paar Stimmen mehr ergeben, aber es reicht dennoch nicht.

Nun aber melden sich die Parteivorsitzenden Sahra Wagenknecht und Amira Mohamed Ali sowie ihr Generalsekretär Christian Leye zu Wort. In einem langen offenen Brief an die Parteimitgliedschaft erklären sie, dass die etwas mehr als ein Jahr alte Partei weitermachen werde, weil das Projekt »nicht an 9500 (angeblich) fehlenden Stimmen scheitern« dürfe. Wie bisher schon wird behauptet, dass das BSW die »einzige konsequente Partei für Frieden und Abrüstung in Deutschland« sei. Überhaupt spult der Brief noch einmal das ganze Wahlprogramm ab, von der Forderung nach preiswerter Energie über den Ruf nach besseren Renten und Löhnen bis zur Klage über vermeintlich eingeschränkte Meinungsfreiheit, »Corona-Hysterie« und eine angebliche Medienblockade gegenüber dem BSW.

Spott über die Brandmauer

So weit, so bekannt. Als Gründe für das enttäuschende Wahlergebnis werden Dinge aufgezählt, die man vor einem Jahr noch als großen Startvorteil betrachtet hatte. Dazu gehören die Wahlkämpfe für die Europawahl sowie die Kommunal- und Landtagswahlen 2024. Genau dieser Wahlkalender hatte Wagenknecht bewogen, Ende 2023 den Bruch mit der Linken zu vollziehen und mit deren Mandaten eine eigene Bundestagsgruppe aufzumachen: Es sollte das ideale Sprungbrett für die eigene Partei werden. Nun heißt es, man habe Organisatorisches klären müssen, statt über Inhalte zu diskutieren, und die Koalitionsverhandlungen in den Ländern seien auch schwierig gewesen. Als ob man das alles nicht hätte wissen können.

Bemerkenswert ist, welchen Ton das BSW beim Stichwort Umgang mit der AfD anschlägt. »Der Preis für die mobilisierende Wirkung der Brandmauer-Debatte im linken Spektrum ist eine noch stärkere Mobilisierung zugunsten der AfD«, heißt es im offenen Brief. Mit anderen Worten: Grüne und Linke seien verantwortlich für das starke AfD-Ergebnis. Man könne sich »diesseits der Brandmauer moralisch unglaublich edel, gut und antifaschistisch fühlen«, heißt es spöttisch, erreiche aber am Ende nur, »dass sich immer mehr Menschen ... hinter der Brandmauer versammeln«. Über einen eigenen Beitrag des BSW zum Erstarken der AfD etwa durch das wechselseitige Hochpeitschen der Abschiebedebatte, macht man sich keine Gedanken.

Stattdessen fordern Wagenknecht, Mohamed Ali und Leye, »die Anliegen der AfD-Wähler endlich politisch ernst zu nehmen«, die »bis auf einen sehr kleinen Teil eben keine Rechtsextremen oder Nazis« seien. Und das, obwohl laut Umfragen deutlich mehr als die Hälfte der AfD-Wähler diese Partei nicht vor allem aus Protest, sondern aus voller Überzeugung wählen. Eine Partei, die vom Verfassungsschutz als rechtsextremistischer Verdachtsfall eingestuft wird; mehrere Landesverbände sind sogar als gesichert rechtsextrem bewertet.

Das BSW will im neuen Bundestag eine Wahlprüfungsbeschwerde einreichen. Das ist der gewiss diskutable, aber derzeit vorgeschriebene Gang der Dinge, auch wenn die Parteiführung weiter den Anschein erweckt, als werde das BSW speziell benachteiligt. Die Mitglieder werden aufgerufen, aus ihren Regionen korrigierte Wahlergebnisse zu melden, weil man in der Parteiführung davon ausgeht, dass »der neue Bundestag mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht rechtmäßig zusammengesetzt ist«. Kann sein, muss aber nicht.

Konfrontation in Thüringen

In diesem Jahr soll sich das BSW um inhaltliche Profilierung und Mitgliederentwicklung kümmern. Dabei dürfte der Partei helfen, dass sie gerade erst wieder eine Spende von zwei Millionen Euro erhalten hat – vom gleichen Spender, der schon letztes Jahr 4,5 Millionen überwiesen hatte. Doch ohne Konflikte geht der Parteiaufbau nicht ab, das wird schon jetzt sichtbar. Eine erneute Kontroverse bahnt sich im Landesverband Thüringen an, wo beim Landesparteitag Ende April die beiden Landesvorsitzenden Katja Wolf und Steffen Schütz wieder kandidieren wollen, aber Konkurrenz von Wagenknecht-Getreuen erhalten: Ein Kandidatenteam, offen unterstützt von der Berliner Parteispitze, will die beiden auch als Minister Amtierenden verdrängen.

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Wagenknecht selbst zeigte sich in einem Interview »erstaunt« darüber, dass die Beiden wieder antreten. Sie sei davon ausgegangen, dass es in Thüringen längst Konsens sei, Partei- und Regierungsamt zu trennen. In der Parteisatzung steht davon jedenfalls nichts; woher dieser Konsens kommen soll, erläuterte sie nicht. Wie zur Unterstützung seiner Vorsitzenden kündigte aber am selben Tag der Brandenburger Landeschef Robert Crumbach an, nebenbei Finanzminister in Potsdam, im Herbst den Landesvorsitz abzugeben, weil seine Kraft nicht für beide Funktionen reiche. Crumbach ist ein Wagenknecht-Unterstützer, und seine Mitteilung soll offenbar den Druck auf Wolf und Schütz erhöhen. Dafür kann er auch mit Nachsicht Wagenknechts rechnen, wenn er in der Potsdamer Koalition mit der SPD Sozialkürzungen beschließt.

Solche Milde dürfen Wolf und Schütz in Thüringen nicht erwarten. Ihnen wurde schon während der Erfurter Koalitionsverhandlungen letztes Jahr zu lasches Vorgehen vorgeworfen; Wagenknecht grätschte mehrfach in die Thüringer Gespräche rein. Auch das Scheitern des BSW bei der Bundestagswahl wird maßgeblich den Thüringer Parteifreunden angelastet, die mit ihrer Politik Wähler verschreckt hätten. Sogar der Parteiaustritt wurde Wolf und Schütz schon öffentlich nahegelegt.

Wie die Konfrontation beim Landesparteitag ausgeht, ist schwer abzuschätzen. Denn laut BSW-Statut werden Mitglieder nach wie vor nur durch den Bundesvorstand aufgenommen, nach genauer Prüfung. Wagenknecht und ihre Leute hatten schon letztes Jahr einen ganzen Schwung ihnen genehmer Kandidaten in Thüringen aufgenommen. Und bis Ende April wolle man bundesweit 1200 Mitglieder zulassen, darunter mit Sicherheit auch in Thüringen. Das könnte die Mehrheitsverhältnisse in dem kleinen Landesverband durchaus beeinflussen.

Ein einziger wirklich selbstkritischer Satz findet sich im offenen Brief der Parteichefinnen, fast am Ende. Dort heißt es, hätte man bei der Bundestagswahl deutlich mehr Stimmen erhalten, dann hätten »Fehler bei der Auszählung im Promillebereich« den Einzug in den Bundestag nicht verhindern können. Wohl war. Die Gründe für das schwache Ergebnis sucht man aber vor allem bei anderen.

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