NATO prüft Ägäis-Einsatz gegen Flüchtlinge
Türkei bittet um Bekämpfung von Schleppern / Berliner Koalition einigt sich nicht über Familiennachzug
Berlin. Es werde geprüft, »was die NATO tun kann, um mit der Krise umzugehen«, ließ NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg am Dienstag in Brüssel wissen. Es geht um die Frage, ob ein Einsatz des Militärbündnisses gegen Schlepper in der Ägäis möglich wäre. Die Idee war ein Ergebnis der Gespräche, die die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel am Vortag in Ankara geführt hatte. Die NATO-Verteidigungsminister werden an diesem Mittwoch über einen möglichen Einsatz im Seegebiet zwischen Griechenland und der Türkei beraten. Die türkische Seite habe angekündigt, das Thema ansprechen zu wollen, so Stoltenberg. Bisher hatte das Bündnis ein Engagement in der Flüchtlingskrise abgelehnt - unter Hinweis darauf, dass die Grenzkontrolle Aufgabe der Polizei und nicht des Militärs sei. Telefonisch informierte Bundeskanzlerin Merkel am Dienstag auch den griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras über die Gespräche in Ankara vom Vortag. Tsipras habe dabei klargestellt, dass eine Beteiligung der NATO ausschließlich türkische Hoheitsgewässer betreffen könne, nicht griechische, informierte anschließend die Athener Sprecherin Olga Gerovasili.
Die deutsche Regierungskoalition hat jedoch nicht nur damit zu tun, die Türkei als Auffangort für Flüchtlinge gnädig zu stimmen. Im Umgang mit jenen Menschen, die es auf ihrer Flucht bis Deutschland schaffen, gibt es die eine oder andere kleinere Unstimmigkeit auch zwischen den Koalitionspartnern. Derzeit geht es um ein Detail im Asylpaket II - den Familiennachzug für eine kleine Gruppe von unbegleiteten Flüchtlingskindern. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) und Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) hatten bis Dienstagnachmittag noch keinen Kompromiss in der Streitfrage gefunden, ob diese bei der Aussetzung des Familiennachzugs ausgenommen werden. Oppositionsvertreter und das Deutsche Institut für Menschenrechte forderten indes, Kindern das Nachholen der Eltern zu gestatten.
SPD-Chef Sigmar Gabriel brachte Einzelfallentscheidungen ins Gespräch. Es müsse nach menschlichem Ermessen entschieden werden. Der Vize-Kanzler verwies auch auf die verhältnismäßig geringen Fallzahlen: Nach Angaben des Bundesinnenministeriums wurden 2015 nur 105 Minderjährige als sogenannte subsidiär Schutzberechtigte anerkannt. Nur für diese Gruppe soll der Familiennachzug ausgesetzt werden. Wie das Bundesfamilienministerium bestätigte, kamen 2015 zudem nur 442 Personen über den Elternnachzug nach Deutschland. Die Opposition lehnte Einzelfallentscheidungen ab. Beim Kindeswohl dürfe es keine Abstriche geben. Der Deutsche Landkreistag forderte die Koalition auf, schnell eine Einigung zu finden und befürwortete die Aussetzung des Familiennachzugs auch für Minderjährige. nd/Agenturen Seiten 6 und 7
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.