Keine Spur von den Tätern

Mord an Polizeireporterin in Mexiko verlängert die Todesliste unter Journalisten

  • Gerd Goertz, Mexiko-Stadt
  • Lesedauer: 3 Min.
Es ist eine brutale Fortsetzungsgeschichte. Die Liste von Journalistenmorden in Mexiko ist auch diese Woche wieder länger geworden.

Sie ist die bisher letzte in einer langen Reihe: Anabel Flores Salazar. Die Leiche der 32-jährigen Polizeireporterin wurde am vergangenen Mittwoch im Bundesstaat Puebla gefunden. Flores wurde erstickt. Sie war nach Angaben von Familienangehörigen zwei Tage zuvor von mehreren bewaffneten und uniformierten Männern aus ihrer Wohnung in der Kleinstadt Mariano Escobedo im Nachbarbundesstaat Veracruz verschleppt worden. Sie arbeitete für die Zeitung »El Sol de Orizaba«. Die Staatsanwaltschaft von Veracruz verfiel in ihre bewährte Taktik, das Opfer in die Nähe der organisierten Kriminalität zu rücken. Von den Tätern gibt es bisher keine Spur.

Flores hinterlässt ein wenige Wochen altes Baby und ein zweijähriges Kind. Anabel Flores mitgezählt, sind seit 2010 unter der Amtszeit von Veracruz Gouverneur Javier Duarte de Ochoa 17 Journalisten des Bundesstaates umgebracht worden, bis auf wenige Ausnahmen in Veracruz selbst. Die Regierung des Gouverneurs, der für seine Abneigung gegen kritische Pressevertreter bekannt ist, hat bisher keinen einzigen dieser Morde wirklich aufgeklärt.

Erst am 21. Januar war im Landkreis Santiago Jamiltepec im Bundesstaat Oaxaca der Journalist Marcos Hernández Bautista erschossen worden. Der Korrespondent der Tageszeitung »Noticias Voz e Imagen de Oaxaca«, der für weitere Medien arbeitete, engagierte sich zudem lokalpolitisch als Gemeindevertreter für die linke Morena-Partei. Während sich sowohl die Unesco-Generaldirektorin Irina Bokova als auch die Interamerikanische Menschenrechtskommission (CIDH) zu seiner Ermordung äußerten und Aufklärung forderten, haben die mexikanischen Behörden weitgehend zu diesem Verbrechen geschwiegen. Nach Informationen der CIDH hatte Hernández Angst vor Repressalien ausgedrückt, weil er mit seinen Artikeln »politische Interessen und die der Lokalfürsten« beeinträchtigte. Oaxaca hat sich in den vergangenen Jahren nach Veracruz zu einem der für Journalisten gefährlichsten Bundesstaaten in Mexiko entwickelt.

Insgesamt sind in dem Land seit Anfang 2000 etwa 100 Journalisten umgebracht worden. Weitere zwei Dutzend gelten als unter Gewaltanwendung »verschwunden«. Erst vor Kurzem veröffentlichte die internationale Organisation Article 19 einen Sonderbericht zu den verschwundenen Medienarbeitern in Mexiko. Darin wird auf die staatlichen Defizite bei den Ermittlungen sowie den fehlenden Willen, diese schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen ausreichend zu untersuchen, hingewiesen. Zu den Morden und dem Verschwindenlassen gesellen sich die täglichen Drohungen und Einschüchterungsversuche, unter denen Journalisten und Medien zu leiden haben. Im Rahmen der Proteste von Kollegen gegen den Mord an Anabel Flores wurde beispielsweise ein Journalist des Wochenmagazins »Proceso« anonym per Twitter bedroht, ein weiterer Journalist desselben Mediums persönlich.

Der Bundesstaat Veracruz gehört zu den Regionen Mexikos, die am stärksten von der Drogenkriminalität betroffen sind. Neben Oaxaca ist Veracruz nach Angaben der Organisation Reporter ohne Grenzen außerdem der gefährlichste mexikanische Bundesstaat für Journalisten. Mexikos Bevölkerung leidet seit Jahren unter dem Krieg zwischen den Drogenkartellen, die um Einfluss im lukrativen Rauschgiftgeschäft ringen und dabei äußerst gewaltsam vorgehen.

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